Rechte von Menschen mit Behinderungen

Aktionspläne

Aktionspläne sind ein wichtiges Instrument, um die UN-Behindertenrechtskonvention (UN-BRK) in einem koordinierten Prozess kontinuierlich umzusetzen. Die Vereinten Nationen haben bereits in den 1990er Jahren in Hinblick auf eine zielgerichtete und wirksame Gewährleistung und Förderung von Menschenrechten dafür geworben, Instrumente wie menschenrechtliche Aktionspläne zu nutzen. Aktionspläne beschreiben eine inklusionspolitische Strategie, die mit konkreten Zielen versetzt und entsprechenden Maßnahmen unterlegt ist. Aktionspläne staatlicher Akteure bringen so eine politische Prioritätensetzung und die Absicht zum Ausdruck, in diesem Politikfeld zielgerichtet zu handeln.

Menschenrechtliche Aktionspläne verfolgen das spezifische Ziel, gerade den menschenrechtlichen Zielen und Verpflichtungen Rechnung zu tragen. Die Beteiligung von Menschen mit Behinderungen und ihren Organisationen an der Erstellung und Umsetzung von Aktionsplänen ist menschenrechtlich geboten und Grundlage eines zielgerichteten Plans. Für den Prozess, in dem ein menschenrechtlicher Aktionsplan vorbereitet, begleitet und gesteuert wird, gelten die menschenrechtlichen Prinzipien wie Partizipation, Nichtdiskriminierung, Transparenz etc.

Die Monitoring-Stelle hat sich seit ihrem Bestehen für die Entwicklung, Umsetzung, Fortschreibung und Evaluierung von menschenrechtlichen Aktionsplänen eingesetzt. Kurz nach Ratifikation der UN-BRK durch Deutschland haben zunächst Rheinland-Pfalz (2010) und danach der Bund und Brandenburg (2011) Aktionspläne zur Umsetzung der Konvention verabschiedet. Mittlerweile haben sowohl der Bund als auch alle Bundesländer einen Aktionsplan in Kraft gesetzt. Des Weiteren gibt es Aktionspläne von Kommunen, Unternehmen, Organisationen, Institutionen, Universitäten und Behörden sowie eine Vielzahl weiterer menschenrechtlicher Aktionspläne. Der Bund sowie die meisten Bundesländer haben ihren Aktionsplan bereits fortgeschrieben und/oder einer Evaluation unterzogen.

Aktionspläne zur Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention sind alternativlos

Derzeit arbeiten alle Bundesländer mit dem Instrument Landesaktionsplan. Inklusionspolitik in Deutschland ist hochkomplex, da sie alle gesellschaftlichen Bereiche und sämtliche staatlichen Ebenen betrifft.  Die Umsetzung der UN-BRK ist ohne ein strategisches, planerisches und koordinierendes Instrument und unter besonderem Ressourceneinsatz in den allermeisten politischen Handlungsfeldern kaum denkbar. Der Politikansatz Aktionsplan erscheint nach dem Stand der Umsetzung in den Ländern und der Größe der bleibenden Aufgaben praktisch alternativlos. Die Monitoring-Stelle empfiehlt den staatlichen Akteuren dringend, ihre Aktionspläne beizubehalten, umzusetzen und weiterzuentwickeln.

Die Vertragsstaaten der UN-BRK sind verpflichtet, geeignete Maßnahmen zur Umsetzung der Konvention zu ergreifen (Artikel 4 UN-BRK). Die Rechte der Menschen mit Behinderungen können demnach mit unterschiedlichen Mitteln geachtet, geschützt und gewährleistet werden. Entsprechend setzt die UN-BRK etwa die Existenz von staatlichen Programmen, Konzepten und Strategien zur Umsetzung der Konvention voraus. Obwohl sie Staaten nicht ausdrücklich zwingt, dies mit einem Aktionsplan zu betreiben, scheint die praktische Umsetzung kaum anders möglich. In diesem Sinne hat sich auch der UN-Fachausschuss gegenüber Deutschland bereits mehrfach dafür ausgesprochen mit Aktionsplänen zu arbeiten  sowie diese menschenrechtlich im Sinne der UN-BRK auszurichten und fortzuentwickeln. Schon in seinen 2015 verabschiedeten Empfehlungen („Abschließende Bemerkungen“) wies er daraufhin, dass Aktionspläne menschenrechtsbasiert und im Einklang mit der UN-BRK sein müssen und von einem menschenrechtlichen Behinderungsbegriff ausgehen müssen. 2023 betonte er erneut, dass Aktionspläne menschenrechtlich ausgerichtet werden müssen, und empfahl eine stärkere Koordination insbesondere der Länder, um sicherzustellen, dass ihre Aktionspläne mit ihren menschenrechtlichen Verpflichtungen in Einklang stehen.

Zentrale Anliegen

  • Das Instrument der menschenrechtlichen Aktionspläne muss auch weiterhin konsequent für die koordinierte und ressortübergreifende Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention auf allen Ebenen des deutschen Staates genutzt und weiterentwickelt werden.
  • Aktionspläne müssen menschenrechtlich ausgerichtet sein, sich an den Vorgaben der UN-Behindertenrechtskonvention orientieren und die Empfehlungen des UN-Fachausschusses für die Rechte von Menschen mit Behinderungen („Abschließende Bemerkungen“ und „Allgemeine Bemerkungen“) berücksichtigen. Sie müssen insbesondere einen menschenrechtlichen Begriff von Behinderung anlegen.
  • Bei der Erarbeitung, Umsetzung, Evaluation und Fortschreibung von Aktionsplänen müssen Menschen mit Behinderungen und die sie vertretenden Organisationen vollumfänglich beteiligt und dafür entsprechende Mittel bereitgestellt werden.
  • Bei Aktionsplänen sollten Gruppen in besonders schutzbedürftigen Lebenssituationen berücksichtigt werden, zum Beispiel Menschen mit Behinderungen in Armut, in Wohnungslosigkeit, in Einrichtungen, mit komplexem Unterstützungsbedarf sowie geflüchtete Menschen mit Behinderungen.
  • Aktionspläne sollten als Instrument zur stetigen Weiterentwicklung der Inklusionspolitik genutzt werden. Das beinhaltet insbesondere, dass sie die Datensammlung zum Stand der Umsetzung der UN-BRK und die kontinuierliche Überprüfung von Gesetzen und anderen Rechtsnormen vorantreiben.

Empfehlungen des UN-Fachausschusses für die Rechte von Menschen mit Behinderungen in Bezug auf Aktionspläne von 2023 (CRPD/C/DEU/CO/2-3)

Ziffer 7

f) Der Ausschuss ist besorgt über die sehr uneinheitlichen Anstrengungen der Bundesländer zur Durchführung des Übereinkommens und die unzureichende Berücksichtigung der menschenrechtlichen Perspektive in den Aktionsplänen vieler Länder.

Ziffer 8

b) Der Ausschuss empfiehlt dem Vertragsstaat entsprechend der früheren Empfehlung des Ausschusses die bestehenden Gesetze, Politikvorgaben und Verwaltungsverfahren systematisch auf ihre Übereinstimmung mit den Verpflichtungen des Vertragsstaats nach dem Übereinkommen zu überprüfen und menschenrechtsbasierte Aktionspläne mit einem klaren Behinderungsbegriff aufzustellen, die Maßnahmen zur Förderung, zum Schutz und zur Gewährleistung der Rechte nach dem Übereinkommen sowie Vorgaben und Indikatoren zur Überwachung der Durchführung des Übereinkommens enthalten.

f) Der Ausschuss empfiehlt dem Vertragsstaat eingedenk seiner Verpflichtungen nach Artikel 4 Absatz 5 des Übereinkommens die Koordinierung der Bemühungen der Bundesländer um die Durchführung des Übereinkommens zu verbessern und sicherzustellen, dass ihre Aktionspläne zur Verwirklichung der Rechte von Menschen mit Behinderungen mit ihren Verpflichtungen nach dem Übereinkommen im Einklang stehen.

Empfehlungen des UN-Fachausschusses für die Rechte von Menschen mit Behinderungen in Bezug auf Aktionspläne von 2015 (CRPD/C/DEU/CO/1)

Ziffer 5/6

5. Der Ausschuss ist besorgt darüber, dass es bei der Erfüllung der Pflichten des Vertragsstaats aus dem Übereinkommen auf in Teilen seines Hoheitsgebiets zu einer uneinheitlichen Entwicklung von Aktionsplänen zum Thema Behinderung gekommen ist, insbesondere, was deren Inhalt und Ausrichtung sowie die konsequente Verfolgung eines konventionskonformen, menschenrechtsbasierten Ansatzes angeht.

6. Der Ausschuss unterstreicht die Pflichten des Vertragsstaats nach Artikel 4 Absatz 5 und empfiehlt dem Vertragsstaat, sicherzustellen, dass sich die Bundes-, Länder- und Kommunalbehörden der in dem Übereinkommen enthaltenen Rechte und ihrer Pflicht, deren Einhaltung wirksam sicherzustellen, bewusst sind.

Randnummer 7/8

7. Der Ausschuss ist besorgt darüber, dass das innerstaatliche Recht kein ausreichendes Verständnis der in den Artikeln 1 und 2 des Übereinkommens enthaltenen Konzepte erkennen lässt, insbesondere im Hinblick auf ihre Übertragung in bestehende Rechtsvorschriften auf der Grundlage eines Menschenrechtsansatzes.

8. Der Ausschuss empfiehlt dem Vertragsstaat, sicherzustellen,

(a) dass die gesetzliche Definition von Behinderung auf Bundes- wie auch auf Länderebene im Recht und in den Politikkonzepten überarbeitet wird, mit dem Ziel, sie mit den allgemeinen Prinzipien und Bestimmungen des Übereinkommens in Einklang zu bringen, insbesondere in Bezug auf Fragen der Nichtdiskriminierung und den vollständigen Übergang zu einem menschenrechtsbasierten Modell;

(b) dass die Bundesregierung, alle Landesregierungen und Kommunalverwaltungen übergreifende menschenrechtsbasierte Aktionspläne aufstellen, die von einem klaren Behinderungsbegriff ausgehen und in denen sie angemessene Maßnahmen zur Förderung, zum Schutz und zur Gewährleistung der Rechte festlegen sowie Ziele und Indikatoren zur Überwachung der Umsetzung des Übereinkommens.  

Publikationen zu diesem Thema

Ansprechpartner*in

Frieder Kurbjeweit

Wissenschaftlicher Mitarbeiter

Telefon: 030 259 359 - 442

E-Mail: kurbjeweit(at)institut-fuer-menschenrechte.de

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