Rechte von Menschen mit Behinderungen

Diskriminierungsschutz

Diskriminierung durch gesetzliche Regelungen und tatsächliches Handeln oder Unterlassen gehört noch immer zum Alltag von Menschen mit Behinderungen in Deutschland. Beispiele hierfür sind

  • betreuungsrechtliche Vorschriften, die gegen das Recht auf rechtliche Handlungsfähigkeit verstoßen,
  • Gesetze zur psychischen Gesundheit, die Unterbringung und Zwangsbehandlung legitimieren,
  • Maßnahmen, die unzugängliches Wohnen und Institutionalisierung fördern,
  • Gesetze und politische Konzepte für segregierende Bildung oder
  • Wahlgesetze, die Menschen mit Behinderungen das Wahlrecht entziehen.

Es fehlt zudem häufig an der Anerkennung mehrfacher und intersektionaler Diskriminierung. Auch angemessene Vorkehrungen zu versagen wird noch nicht durchgehend als eine Form der Diskriminierung gewertet.

Angemessene Vorkehrungen

Angemessene Vorkehrungen sind spezifische personenbezogene Hilfsmaßnahmen, um Barrieren überwinden und an der Gesellschaft teilhaben zu können. Beispiele sind bauliche Veränderungen in der Mietwohnung, ein ärztliches Aufklärungsgespräch in Leichter Sprache, die Übersetzung eines Bescheides in Blindenschrift, die Anpassung von Arbeits- und Organisationsabläufen für Beschäftigte mit psychosozialen Behinderungen oder technische Arbeitshilfen, etwa eine Einhand-Tastatur oder barrierefreie Computersoftware. Auch wenn das Recht auf angemessene Vorkehrungen in den letzten Jahren bekannter geworden ist und in einige Gesetze sowie vereinzelt in der Rechtsprechung Eingang gefunden hat, kann von einer systematischen Verbreitung noch keine Rede sein. Wirksame Rechtsschutz- und Schadensersatzmechanismen sind nur selten gesetzlich verankert. In der Praxis, etwa in der Verwaltung, in der Gerichtsbarkeit oder bei Anbietern von Sozialleistungen sowie auch auf Seiten der Betroffenen, der Beratungsstellen und Arbeitgeber*innen ist das Konzept der angemessenen Vorkehrungen weder allgemein anerkannt noch wird es durchgängig angewendet.

Der im Jahr 1994 in das Grundgesetz eingefügte Artikel 3 Absatz 3 Satz 2 sowie der seit 2009 in Deutschland verbindliche Artikel 5 UN-BRK beinhalten das Verbot der Benachteiligung beziehungsweise Diskriminierung aufgrund von Behinderung. Zu den vier Hauptformen der Diskriminierung, die einzeln oder parallel auftreten können, zählen die unmittelbare und die mittelbare Diskriminierung, Belästigung sowie die Versagung angemessener Vorkehrungen. Aus der UN-BRK folgt zudem die Verpflichtung gleichen und wirksamen rechtlichen Schutz vor Diskriminierung zu garantieren. Ebenso müssen geeignete Schritte unternommen werden, um angemessene Vorkehrungen mit dem Ziel der Förderung der Gleichberechtigung und zur Beseitigung von Diskriminierungen zu gewährleisten.

Der UN-Ausschuss für die Rechte von Menschen mit Behinderungen empfahl Deutschland im Rahmen der Staatenprüfung 2015 unter anderem, den Schutz von Menschen mit Behinderungen vor Diskriminierung, einschließlich intersektionaler Diskriminierung, als umfassendes querschnittsbezogenes Recht zu entwickeln und einschlägige Daten zur Rechtsprechung zu sammeln. Außerdem sollten angemessene Vorkehrungen als ein unmittelbar durchsetzbares Recht gesetzlich verankert und ihre Versagung als eine Form von Diskriminierung anerkannt und sanktioniert werden.

Um die in Deutschland noch unzureichende Umsetzung von Gleichberechtigung und Nichtdiskrimierung als grundlegende Prinzipien der UN-Behindertenrechtskonvention voranzubringen, tritt die Monitoring-Stelle UN-Behindertenrechtskonvention für die systematische Weiterentwicklung des rechtlichen Diskriminierungsschutzes für Menschen mit Behinderungen ein.

Zentrale Anliegen

  • Um über die Inhalte und die praktischen Konsequenzen von Nichtdiskriminierung und Gleichberechtigung zu informieren, bedarf es weiterhin gesellschaftlich breit angelegter Aufklärung und Begegnungen in Vielfalt, bei denen Menschen mit Behinderungen und die sie vertretenden Organisationen einbezogen werden.
  • Bestehende Gesetze, Verordnungen und Praktiken müssen überprüft und gegebenenfalls an die Vorgaben der UN-Behindertenrechtskonvention angepasst werden. Die Monitoring-Stelle tritt beispielsweise seit Jahren dafür ein, das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) weiterzuentwickeln, um Menschen mit Behinderungen besser zu schützen.
  • Angemessene Vorkehrungen sind in die Gleichstellungsgesetze als Rechtsanspruch zu integrieren, ihre unzulässige Versagung ist als Diskriminierung zu werten und mit Sanktionen zu belegen.
  • Es muss sichergestellt werden, dass das Konzept der angemessenen Vorkehrungen in der Praxis, allgemein anerkannt und angewendet wird. Hierfür sind personelle und sachliche Ressourcen bereitzustellen.
  • Der wirksame Zugang zur Justiz muss gewährleistet werden. Insoweit sind die Möglichkeit des Verbandsklagerechts, eine ausreichende und zugängliche Prozesskostenhilfe sowie effektive Sanktions- und Entschädigungsregelungen zu gewährleisten.

UN-Behindertenrechtskonvention

Publikationen zu diesem Thema

10 Jahre AGG: Den menschenrechtlichen Schutz vor Diskriminierung in Deutschland weiter stärken!

Monitoring-Stelle begrüßt wegweisendes Urteil des Bundesarbeitsgerichts zur Stärkung des Diskriminierungsschutzes chronisch kranker Menschen

Ansprechpartner*in

Pressefoto von Dr. Catharina Hübner.
© DIMR/B. Dietl

Dr. Catharina Hübner

Wissenschaftliche Mitarbeiterin
Projektleitung Monitoring Berlin

Telefon: 030 259 359 - 413

E-Mail: huebner(at)institut-fuer-menschenrechte.de

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