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Arbeitsausbeutung: Schutz und Unterkünfte für Betroffene

Betroffene von Arbeitsausbeutung brauchen sichere Unterkünfte, die menschenrechtlichen Standards entsprechen. © iStock.com/Creativebird

Menschenhandel zum Zweck der Arbeitsausbeutung ist eine schwere Menschenrechtsverletzung. Betroffene, die der Ausbeutungssituation entkommen, brauchen schnelle Unterstützung und sichere Unterbringung. Deutschland muss angemessene Unterkünfte zur Verfügung stellen, die für alle Betroffenen zugänglich sind.

Jeden Tag werden Menschen in Deutschland ausgebeutet. Sie müssen unter Zwang und zu schlechten Bedingungen arbeiten, werden dafür wenig oder gar nicht entlohnt. Wer es schafft, der Ausbeutung und dem Umfeld zu entkommen oder von Sicherheitsbehörden entdeckt wird, läuft Gefahr, obdachlos zu werden. Die Betroffenen von Arbeitsausbeutung haben ein Recht auf sofortige Unterstützung, effektiven Schutz vor Täter*innen und eine angemessene Unterbringung. Das garantieren der Internationale Pakt über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte (UN-Sozialpakt), die Europaratskonvention gegen Menschenhandel und die EU-Richtlinie gegen Menschenhandel.

In Deutschland gibt es für Betroffene von Arbeitsausbeutung allerdings nicht genügend Schutzunterkünfte. Viele der Unterbringungsmöglichkeiten, die es gibt, sind weder angemessen noch bedarfsgerecht. Spezialisierte Schutzunterkünfte sind nicht für alle Betroffenen zugänglich, insbesondere für Männer. Damit verstößt Deutschland gegen seine menschenrechtlichen Verpflichtungen.

„Ein bisschen sicherer als auf der Straße“ ist nicht genug

Betroffene von Arbeitsausbeutung benötigen nicht bloß ein Dach über dem Kopf. Es braucht Unterkünfte, in denen menschenrechtliche Standards eingehalten werden. Im Bereich der sexuellen Ausbeutung haben sich in den vergangenen Jahrzehnten Unterstützungsstrukturen etabliert, die aus dem Hilfesystem für gewaltbetroffene Frauen entstanden sind. Doch für Betroffene von Arbeitsausbeutung gibt es keine vergleichbaren Strukturen.

Mangels spezialisierter Schutzunterkünfte werden Betroffene von Arbeitsausbeutung allzu oft in Unterkünften für Wohnungslose oder Asylsuchende untergebracht. In diesen Unterkünften habe sie sich jedoch nur ein bisschen sicherer als auf der Straße gefühlt “, beschreibt es eine Betroffene in der Analyse „Ein bisschen sicherer als auf der Straße“ - Unterkünfte für Betroffene von Arbeitsausbeutung in Deutschland.

Eine Unterkunft ist dem UN-Fachausschuss für wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte zufolge angemessen, wenn sie bezahlbar ist und unter gesetzlichem Schutz steht wie beispielsweise unter dem Schutz des Mietrechts. Es muss sauberes Trinkwasser, Energie für Kochen, Heizung und Beleuchtung sowie Sanitäranlagen und Wascheinrichtungen geben. Die Räume müssen ausreichend groß sein und Schutz vor Kälte, Hitze, Regen oder anderen Bedrohungen der Gesundheit wie Krankheitsüberträgern bieten. Die physische Sicherheit der Betroffenen beispielsweise vor Drohungen und Übergriffen der Täter*innen, die sie in Arbeitsausbeutung gebracht haben, muss garantiert sein. Angemessene Unterkünfte sind darüber hinaus solche, die für alle zugänglich sind, insbesondere auch für benachteiligte Personen.

Deutschland muss mehr und bessere Unterkünfte für alle Betroffenen von Arbeitsausbeutung schaffen

Basierend auf der Analyse der rechtlichen Grundlagen und dem Stand ihrer Umsetzung sowie der Erfahrungen in der Praxis stellt die Berichterstattungsstelle Menschenhandel fest: Deutschland muss mehr und bessere Unterkünfte schaffen – und zwar für alle Betroffenen von Arbeitsausbeutung, das heißt auch für Männer, für Paare und Familien, für vulnerable Personen sowie für Gruppen.

Bund, Länder und Kommunen müssen ein System etablieren, das eine sichere und angemessene Unterkunft gewährleistet. Dafür braucht es Geld für mehr Schutzräume, Geld für eine bedarfsgerechte Unterbringung im Einzelfall, ausreichend Personal für Beratungsstellen und eine engere Kooperation zwischen Behörden und Beratungsstellen sowie Mindeststandards für die Unterkünfte.

Das Recht auf Zugang zu Schutz und Unterkunft ebenso wie der Anspruch auf Sozialleistungen muss für alle Betroffenen von Arbeitsausbeutung gelten. Unterbringung, Unterstützungsleistungen und Schutz dürfen in Deutschland weder davon abhängen, ob Betroffene von Arbeitsausbeutung aus Mitgliedstaaten der Europäischen Union oder aus Drittstaaten stammen, noch ob sie bereit sind, sich am Strafverfahren zu beteiligen.

Leitlinien und Empfehlungen der Berichterstattungsstelle Menschenhandel

Ein funktionierendes Gesamtsystem inklusive menschenrechtskonformer Unterbringung ist eine wichtige Voraussetzung zur Verhütung und Bekämpfung von Menschenhandel. Damit dies in Deutschland gelingt, hat die Berichterstattungsstelle Leitlinien und Empfehlungen für die Ausgestaltung von Unterkünften für Betroffene von Arbeitsausbeutung entwickelt. Ziel sind bundesweite Mindeststandards für Unterkünfte.

Die Analyse der Berichterstattungsstelle verdeutlicht, dass Unterkünfte für verschiedene Zielgruppen benötigt werden. Die Räume sollten ausreichend groß und abtrennbar sein. Betroffene, die von Täter*innen von Menschenhandel und Arbeitsausbeutung bedroht werden, müssen effektiven Schutz finden, dazu gehört, dass die Gefahrenprognose der Polizei berücksichtigt wird.

Betroffene brauchen in den Unterkünften darüber hinaus auch Zugang zu psychosozialer und geschlechtersensibler Beratung. Empfehlenswert ist es, wenn die Unterbringung es den Menschen ermöglicht, sich wieder eine Tagesstruktur und den eigenen Alltag zu gestalten. Eine wichtige Rolle spielt auch die Entwicklung einer Zukunftsperspektive, zum Beispiel durch den Zugang zu Deutschkursen oder zu Aus- und Fortbildungsangeboten.

Menschenrechte im Fokus – Menschenhandel

© DIMR

Menschenhandel geht mit schweren Menschenrechtsverletzungen einher: mit Unfreiheit, Zwang, Gewalt und massiver wirtschaftlicher Ausbeutung. Menschenhandel findet tagtäglich in Deutschland statt - in der Pflege, im Haushalt, in der Prostitution, Landwirtschaft, Fleischindustrie oder auf dem Bau. Was nötig ist, damit Betroffene unterstützt werden und Menschenhandel keine Chance hat, erklärt Naile Tanış, Leiterin unserer Berichterstattungsstelle Menschenhandel, im Video.

Link zum Video auf YouTube.

Ansprechpartner*innen

Naile Tanış trägt ihre Haare nach hinten gebunden. Sie trägt eine weiße Bluse.
© DIMR/B. Dietl

Naile Tanış

Leitung der Berichterstattungsstelle Menschenhandel

Telefon: 030 259 359 – 306

E-Mail: Tanis(at)institut-fuer-menschenrechte.de

Kurzbiografie Naile Tanış

Portrait von Bettina Hildebrand
© DIMR/A. Illing

Bettina Hildebrand

Pressesprecherin
Mobil: 0160 966 500 83

Telefon: 030 259 359 - 14

E-Mail: hildebrand(at)institut-fuer-menschenrechte.de

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