Wenn eine Person Unterstützung bei der Wahrnehmung ihrer rechtlichen Angelegenheiten benötigt, dann kann in Deutschland eine rechtliche Betreuung eingerichtet werden. Die rechtliche Betreuung soll Menschen helfen, Entscheidungen zu treffen und umzusetzen. Dabei müssen Betreuer*innen in der Regel Willen und Wünsche der betreuten Person respektieren. Mit der Reform des Betreuungsrechts wurde dieses Prinzip, sich am Willen der betreuten Person zu orientieren, gesetzlich festgelegt. Trotzdem ist es weiter möglich, dass eine Betreuung gegen den Willen der betroffenen Person eingerichtet wird.
Auch Entscheidungen gegen den Willen der betreuten Person sind in bestimmten Fällen erlaubt. Gesetzliche Vorgaben für die Einschränkung der Selbstbestimmung betreuter Menschen betreffen etwa ärzliche Zwangsbehandlungen und die Unterbringungen in einer psychiatrischen Klinik.
2015 lebten schätzungsweise etwa 1,25 Millionen Menschen mit rechtlicher Betreuung in Deutschland. Zu den häufigsten Aufgabenkreisen rechtlicher Betreuer*innen zählen die Vermögenssorge und Gesundheitsfürsorge. Der Gesetzgeber betont die Vorrangigkeit ehrenamtlich geführter Betreuungen, insbesondere durch Familienangehörige. In der Praxis machen aber derzeit die beruflich geführten Betreuungen die Mehrzahl aller rechtlichen Betreuungen aus.
Menschenrechtlich fällt die rechtliche Betreuung in den Zusammenhang der „Gleichheit vor dem Recht“ und damit in einem zentralen Bereich bürgerlicher Rechte. Artikel 12 UN-BRK verpflichtet die Vertragsstaaten „an[zu]erkennen, dass Menschen mit Behinderungen in allen Lebensbereichen gleichberechtigt mit anderen Rechts- und Handlungsfähigkeit genießen.“ (Art. 12 Abs. 2 UN-BRK). Sie haben geeignete Maßnahmen [zu treffen], um Menschen mit Behinderungen Zugang zu der Unterstützung zu verschaffen, die sie bei der Ausübung ihrer Rechts- und Handlungsfähigkeit gegebenenfalls benötigen (Art. 12 Abs. 3 UN-BRK).
Der UN-Fachausschuss für die Rechte von Menschen mit Behinderungen fordert mit Blick auf Artikel 12 UN-BRK einen Paradigmenwechsel von der ersetzenden Entscheidungsfindung hin zur unterstützenden Entscheidungsfindung. Ersetzende Entscheidungsfindung bedeutet, dass einer Person die rechtliche Handlungsfähigkeit entzogen und – möglicherweise gegen ihren Willen – eine rechtliche Vertretung bestellt wird. Die Vetretung kann dann anstelle der Person Entscheidungen treffen. Betreuer*innen orientieren sich bei ersetzenden Entscheidungsfindungenim Endeffektan einem von außen festgelegten „Wohl“ und nicht an den Wünschen und Vorstellungen der betreuten Person. In unterstützten Entscheidungsfindungen achten Betreuer*innen das Selbstbestimmungsrecht der betreuten Person und handeln ausschließlich nach ihrer Wünschen und Vorstellungen. Diese Unterstützung muss allen Menschen mit Behinderungen auf freiwilliger Basis zur Verfügung stehen und darf keine Einschränkung ihrer Rechte mit sich bringen (s.Schaubild Unterstützte Entscheidungsfindung).
Unterstützte Entscheidungsfindung ist aber nicht nur Aufgabe rechtlicher Betreuer*innen, sondern sollte eine Leitlinie für alle Formen von Unterstützung sein. Ob eine rechtlich betreute Person selbstbestimmte Entscheidungen über ihr Leben treffen kann, hängt nämlich auch vom sozialen Umfeld ab: Inwiefern nehmen beispielsweise Ärzt*innen oder Behörden ihr Selbstbestimmungsrecht ernst? Bestehen ausreichend Unterstützungsangebote für eine wirklich selbstbestimmte Lebensführung, etwa persönliche Assistenz?
Die Monitoring-Stelle begleitet die Diskussion um die Vereinbarkeit des Betreuungsrechts mit der UN-BRK seit 2009. Sie setzt sich dafür ein, dass Menschen mit Behinderungen ihre Rechts-und Handlungsfähigkeit gleichberechtigt mit anderen Menschen ausüben können und bei Bedarf Unterstützung bei der Ausübung dieses Rechts erhalten. Diese Unterstützung muss auf Freiwilligkeit beruhen und diskriminierungsfrei zur Verfügung gestellt werden.