Mit Menschenrechten Brücken bauen

Rückblick Veranstaltung „Klimakrise und Klimagerechtigkeit in der Bildung – Welche Rolle spielen Menschenrechte?“

„Brücken werden gebaut, indem man Anliegen und Sorgen marginalisierter Gruppen ernst nimmt“

Menschenrechte entwickeln sich weiter – gerade auch angesichts der Herausforderungen der zunehmenden Erderhitzung. Die Online-Veranstaltung „Klimakrise und Klimagerechtigkeit in der Bildung – Welche Rolle spielen Menschenrechte?“ am 4. Dezember 2023 widmete sich unter anderem der Frage, welche Transformationsprozesse notwendig sind, um das Klima zu schützen und welche Rolle Menschenrechtsbildung und politische Bildung in diesen Prozessen spielen. Am Polylog beteiligten sich folgende Expert*innen:

  • Bianca Bilgram, Leitung der UNESCO Geschäftsstelle „Bildung für nachhaltige Entwicklung“
  • Peter Emorinken-Donatus, Mitinitiator Bündnis Ökozid-Gesetz, Bildungsreferent und Umweltaktivist
  • Nina Eschke, Deutsches Institut für Menschenrechte: Klimawandel / Umwelt und Menschenrechten im internationalen und nationalen Kontext

Die Politikwissenschaftlerin Nina Eschke erläuterte in ihrem Input, auf welche Art und Weise sich die Erderhitzung auf die Menschenrechte auswirkt. „Bei extremen Wetterereignissen wie Dürre oder Hochwasser sind zum Beispiel das Recht auf Leben, das Recht auf Gesundheit oder das Recht auf Wohnen direkt betroffen“, sagte Eschke. So habe Europa im vergangenen Jahr über 60.000 Hitzetote verzeichnet. Zu diesen unmittelbaren Auswirkungen hinzu kommen indirekte Folgen der Klimakrise, die ebenfalls Menschenrechte verletzen können. Als Beispiel aus dem Globalen Süden nannte Eschke große Energieprojekte wie Wasserkraftwerke, für deren Bau indigene Bevölkerungsgruppen umgesiedelt würden. Die Institutsmitarbeiterin führte auch ein Beispiel aus Deutschland an: Der mangelnde Katastrophenschutz bei den Überschwemmungen im Aartal habe dazu geführt, dass zwölf Menschen mit Behinderungen ums Leben gekommen seien. „Menschrechte helfen dabei aufzuzeigen, wie sich die Erderwärmung oder klimapolitische Maßnahmen auf besonders schutzbedürftige Gruppen auswirken. Und sie geben uns ein Instrument an die Hand; klimapolitische Maßnahmen gerecht umzusetzen“, so Eschke. Wichtige Schlüsselbegriffe hier seien Empowerment, Nicht-Diskriminierung, Zugang zu Information und Beteiligung.

„BNE ist viel politischer geworden“

Bianca Bilgram stellte zu Beginn ihres Vortrags klar, dass Bildung für Nachhaltige Entwicklung (BNE) auf den Menschenrechten und auf Menschenrechtsbildung basiere. Das Ziel von BNE sei es, Chancengerechtigkeit für alle Menschen in einer intakten Umwelt herzustellen. Dafür müssten Instrumente entwickelt werden, um im Kontext Klimapolitik und Umweltschutz gemeinsam in einen Dialog zu treten und dabei verschiedene Perspektiven und Positionen einzubeziehen und zu verhandeln. BNE sei in diesem Zusammenhang über die letzten Jahre viel politischer geworden, freute sich Bilgram. Dabei gehe es bei BNE um ein lebenslanges Lernen, also nicht nur um Bildungsprozesse bei Kindern und Jugendlichen. Bilgram stellte anschließend das neue Unesco-Programm BNE 2030 vor und skizzierte seine drei Schwerpunkte Transformative Handlungen, Strukturelle Veränderungen und Technologische Fortschritte.

„Der globale Norden gibt den Ton an“

Peter Emorinken-Donatus kritisiert in seinem Input, dass Lösungsansätze für die zunehmende Erderhitzung oftmals eurozentrisch und kolonial geprägt seien. „Der globale Norden gibt den Ton an, sowohl bei den Ursachen als auch bei den Lösungen der Klimakrise.“ So gebe es mittlerweile offizielle Zahlen darüber, wie viele Menschen im globalen Norden jedes Jahr an den Folgen des Klimawandels sterben würden, was den Druck auf Regierungen erhöhe, Maßnahmen zum Klimaschutz zu ergreifen. Dass aber bis heute bereits Millionen von Menschen im Globalen Süden an den Folgen der Klimakrise gestorben seien, so der Umweltaktivist, interessiere die Industriestaaten viel weniger.

In diesem Zusammenhang müsse auch die Rhetorik geändert werden, dass Afrika abhängig sei von der Hilfe aus dem globalen Norden, um die Klimakrise zu bekämpfen. „Was heißt Transformation? Wer transformiert wen? Technologiebasierte Lösungen aus dem Norden werden nicht ausreichen, um die Folgen der Klimakrise im Globalen Süden zu lösen“, sagte Emorinken-Donatus. Der Bildungsreferent betonte, dass die Menschen im Globalen Süden keine Hilfe brauchten; stattdessen müssten die Industrienationen ihre Schuld an der Erderhitzung anerkennen und nach dem Verursacherprinzip handeln. Nötig seien unter anderem völkerrechtlich verbindliche Instrumente wie ein Ökozid-Gesetz, um ökologische Menschenrechte vor dem Internationalen Strafgerichtshof durchzusetzen und Verursacher von Menschenrechtsverletzungen zur Verantwortung ziehen zu können.

„In Emotionen stecken Perspektiven und Lösungen“

In der anschließenden Diskussion betonte Bilgram nochmals die Wichtigkeit zu prüfen, wer die Themen in der BNE setze, welche Inhalte vermittelt würden und wer in den Lernprogrammen spreche. „Wir brauchen mehr Austausch und Perspektivwechsel.“ Bilgram rief die verschiedenen Akteursgruppen dazu auf, sich stärker zu vernetzen und sich zum Beispiel auch bei der Unesco-Geschäftsstelle zu melden und für Projekte zu bewerben.
Eschke schloss sich hier an: Es lohne sich für alle Beteiligten, wenn Menschenrechts- und Bildungs-Expert*innen mit Akteur*innen aus dem Klima- und Umweltbereich zusammenarbeiteten. Viele Klimaaktivist*innen machten bereits Bildungsarbeit, da gebe es schon Ansätze. „Wir sollten politischer werden und mehr Stimmen aus dem Globalen Süden und mehr Stimmen aus dem politischen Aktivismus einbeziehen“, so Eschke.
Emorinken-Donatus machte sich in seinem Schlusswort dafür stark, dass Bildungsarbeit mehr Emotionalität und Interkulturalität brauche. “Ich lasse auch mal meine Wut raus, um Inhalte zu vermitteln.“ Diese Emotionalität von Menschen aus dem Globalen Süden werde aber hierzulande oft abgelehnt, weiß Emorinken-Donatus. Dabei werde übersehen, dass in Emotionen auch Perspektiven und Lösungen steckten. Als Folge dieser Ablehnung wendeten sich wiederum immer mehr Menschen aus dem Globalen Süden von den weißen Bewegungen ab und machen ihr eigenen Projekte. Sein Anliegen sei es deshalb, Gruppen zusammenzubringen und Brücken zu bauen. „Brücken werden gebaut, indem man Anliegen und Sorgen marginalisierter Gruppen ernst nimmt.“

In den Workshops am Nachmittag ging es unter anderem um die Frage, wie Bildungsakteur*innen auf die gesellschaftlichen Veränderungen und Transformationsprozesse konstruktiv antworten können. Folgende Workshops standen zur Auswahl:

a) Klimaschutz und Menschenrechte Notwendigkeiten von politischer Bildung und transnationalem Aktivismus", Josephine Sahner (TBB-Türkischer Bund in Berlin-Brandenburg e.V. und Mitglied von Watch Indonesia!) und Vedi Emde (Mediatorin und Antidiskriminierungstrainerin)

Klimaschutz ist geprägt durch die weiße, männliche Perspektive aus dem globalen Norden und wirtschaftliche Interessen. Welche Positionen und Perspektiven für die Umsetzung von nachhaltigem Klimaschutz entscheidend sind und welche Rolle Klimagerechtigkeit und Menschenrechten zuteil wird, sollte im Fokus dieses Workshops stehen.

Dieser Workshop musste leider krankheitsbedingt ausfallen.

b) Intersektionale Perspektiven auf Klimakrise, Lea Dehning (Bildungsreferentin)

Die Klimakrise verstärkt koloniale Kontinuitäten und soziale Ungerechtigkeiten. In dem Workshop wurden die vielfältigen Verknüpfungen zwischen der Klimakrise und gesellschaftlichen Machtverhältnissen besprochen, unterschiedliche Widerstandsbewegungen vorgestellt und über klimagerechte Lösungen nachgedacht.

c) Klima und Klassismus, Bildung für utopischen Wandel e. V. (http://buwa-kollektiv.de/)

In diesem Workshop wurde untersucht, wie die Themen Klassismus, soziale Gerechtigkeit, Klimakrise, Natur- und Umweltschutz miteinander verbunden sind. Daran anschließend diskutierten die TN, wie eine sozial-ökologische Transformation gelingen kann, in der Klassen- und Klimakämpfe zusammen angegangen werden.

d) Schwarze und Dekoloniale Perspektiven auf Klimawandel, Rebecca Abena Kennedy-Asante (Referentin und Ökologin)

Dieser Workshop befasste sich aus dekolonialen Perspektiven mit verschiedenen Aspekten von Klima(un)gerechtigkeit und der Rolle, die Reparationen und globale Bewegungsfreiheit in der Klimakrise spielen. Diskutiert wurden auch die Anerkennung jahrhundertelanger antikolonialer Kämpfe und die (Un-)Sichtbarkeit von Communities, die von der Klimakrise betroffen sind.

e) Klimagerechtigkeit und Behinderung, Andrea Schöne (freie Journalistin, Autorin)

Behinderte Menschen gehören weltweit zu einer Gruppe, die ganz besonders von den Folgen der Klimakatastrophe betroffen sind, aber am wenigsten Beachtung in Klimadebatten bekommen. Nach einem kurzen Input gingen die Teilnehmenden unter anderem folgenden Fragen nach: Was ist (Öko)Ableismus und wie umgehen wir diesen? Warum ist die Ursache der Klimakatastrophe auch Ableismus? Wie können behinderte Menschen in Prozesse rund um Aktivismus, Politik, Wissenschaft und Medien eingebunden werden?

Im Anschluss folgte eine kurze offene Runde, in der die Ergebnisse aus den Workshops vorgestellt wurden, bevor die Veranstaltung um 16:30 Uhr endete.

Zusammenschnitt der Veranstaltung vom 4. Dezember 2023

Ansprechpartner*in

Sandra Reitz hat kurzes Haar und eine graufarbene Brille. Sie trägt ein hellblaues Polo-Shirt..
© DIMR/B. Dietl

Dr. Sandra Reitz

Stabstelle Grundsatzfragen der Menschenrechtsbildung

Telefon: 030 259 359 - 446

E-Mail: reitz(at)institut-fuer-menschenrechte.de

Portrait von Josephine Akinyosoye
© DIMR/B. Dietl

Josephine Akinyosoye

Wissenschaftliche Mitarbeiterin

Telefon: 030 259 359 - 46

E-Mail: akinyosoye(at)institut-fuer-menschenrechte.de

Zum Seitenanfang springen