20. April 2018
Hilde Kugler, Geschäftsführerin von Treffpunkt e. V., Beratungsstelle für Angehörige Inhaftierter, erklärt im Interview, warum die Landkarte Kinderrechte einen Beitrag zur Sensibilisierung für dieses wichtige Thema leistet.
Sie arbeiten bei dem Verein Treffpunkt e. V. bereits seit vielen Jahren zum Thema „Kinder von Inhaftierten“. Seit März 2018 leiten Sie das Projekt „Netzwerk KvI“, das sich speziell mit dem Aufbau eines bundesweiten Netzwerks zur Unterstützung von Kindern von Inhaftierten einsetzt. Was war der Anlass für das Projekt?
Hilde Kugler: In Deutschland erschweren die unterschiedlichen Zuständigkeitsebenen der kommunalen Kinder- und Jugendhilfe sowie die landesweit unterschiedlich geregelten Gesetze und Verordnungen im Strafvollzug die Kommunikation und Zusammenarbeit mit Beratungsstellen, wie unserer. Bislang gibt es nur auf regionaler Ebene oder sporadisch eine Vernetzung zwischen spezialisierten Einrichtungen und Gefängnissen. Der Beratungs- und Unterstützungsanspruch von Kindern und Eltern an die Kinder- und Jugendhilfe wird bei der "Zwangstrennung" infolge von Inhaftierung bisher oft nicht oder nur sehr unzureichend verwirklicht. Die Umsetzung der UN-Kinderrechtskonvention (UN-KRK) und damit des Rechts der Kinder auf Umgang mit beiden Elternteilen erfordert auch eine Anpassung der Regelungsinhalte im Sozialgesetzbuch VIII (SGB VIII) zugunsten der Kinder von Inhaftierten.
Hauptanliegen des Projektes ist die Schaffung eines bundesweiten Netzwerks. Dieses hat zum Ziel, eine beteiligungsorientierte Zusammenarbeit sowie eine gemeinsame Informationsplattform für Betroffene zu schaffen. Daher freuen wir uns, dass die Monitoring-Stelle UN-Kinderrechtskonvention des Deutschen Instituts für Menschenrechte eines der Mitglieder des Beirates ist, der das Projekt begleitet.
Was sind die Ziele des Projektes?
Kugler: Ein wesentliches Projektziel ist es, die besonders vulnerable Lebenssituation von Kindern von Inhaftierten in das gesellschaftliche Bewusstsein zu rücken und ihre Rechte im Sinne der UN-KRK zu verwirklichen. Dazu müssen zielgerichtete Maßnahmen ergriffen werden, die Kindern einen regelmäßigen, persönlichen und direkten Kontakt mit ihrem inhaftierten Elternteil ermöglichen (Artikel 9 Absatz 3 UN-KRK). Dafür sind nachhaltige Strukturen und eigens zugeschnittene Angebote zu schaffen, die Kindern und auch Eltern bekannt gemacht werden müssen.
Das Projekt ist sehr beteiligungsorientiert angelegt. Austausch, Anregungen und Beratungen werden im Netzwerk über einen Newsletter, Fachtagungen und kollegiale Beratungen organisiert. Hoffentlich kommen wir damit dem Ziel einer flächendeckenden und guten Infrastruktur für alle betroffenen Kinder etwas näher.
Die neue Landkarte gibt einen Überblick über die Besuchszeitenregelungen in den Justiz- und Strafvollzugsgesetzen der Länder. Was müsste aus Ihrer Sicht hier als erstes angegangen werden, um den Bedürfnissen der betroffenen Kinder entgegenzukommen?
Kugler: Wie die Landkarte treffend zeigt, sind die bundesweiten Besuchszeitenregelungen sehr unterschiedlich. Es ist wichtig, dass die Regelungen eben nicht nur zum Ablauf der Justizvollzugsanstalt passen müssen, sondern vorrangig zum Tagesablauf von Kindern. Die Definition, wer (soziales) Elternteil des Kindes ist, muss vom Kind aus gedacht werden. Auch die Unterstützungsangebote der Kinder- und Jugendhilfe spielen hier eine große Rolle. Der Besuch des Kindes muss möglicherweise finanziell unterstützt und eine geeignete Begleitperson zur Verfügung gestellt werden. Die Umsetzung der UN-KRK ist im Justizvollzug auf allen Ebenen in den Blick zu nehmen. Dazu ist der Gestaltungswille der Verantwortlichen genauso nötig, wie Arbeitsgruppen und Familienbeauftragte, die konsequent die Kinderperspektive im Fokus haben und Veränderungsvorschläge und Lösungskonzepte partizipativ erarbeiten.
(Das Interview führte die Monitoring-Stelle UN-Kinderrechtskonvention.)