Weltkindertag am 20. September
Berlin. Das Deutsche Institut für Menschenrechte empfiehlt dem Bundestag und dem Bundesrat anlässlich des Weltkindertags am 20. September, Kinderrechte im Grundgesetz zu verankern.
„Kinder haben eigene Rechte. Sie müssen darin gestärkt werden, ihre Rechte kennenzulernen, sie einzufordern und sie gegenüber staatlichen Stellen und Gerichten durchzusetzen. Die Verankerung von Kinderrechten im Grundgesetz würde die subjektiven Rechte von Kindern an prominenter Stelle sichtbar machen. Jetzt ist es Zeit, dieses Vorhaben umzusetzen“, so Claudia Kittel, Leiterin der Monitoring-Stelle UN-Kinderrechtskonvention des Instituts.
„Der Staat hat nicht nur die Verpflichtung, Kinder zu schützen, sondern auch zu fördern und zu beteiligen. Kinder anzuhören und sie in allen sie betreffenden Angelegenheiten zu beteiligen, ist ein zentrales Anliegen der UN-Kinderrechtskonvention, welches sich auch im Grundgesetz wiederfinden sollte. Es ist Ausdruck der Achtung des Kindes als Träger von Menschenrechten“, so Kittel weiter.
Die UN-Kinderrechtskonvention ist geltendes Recht in Deutschland und von allen staatlichen Stellen auf Bundes-, Landes- und kommunaler Ebene schon jetzt anzuwenden. In der Verwaltungs- und Rechtspraxis bestehen zum Teil weitreichende Umsetzungsdefizite, die auch auf das fehlende Verständnis der Vorgaben der UN-Kinderrechtskonvention zurückzuführen sind.
Schon seit Jahren fordert der UN-Ausschuss für die Rechte des Kindes die Bundesregierung dazu auf, Kinderrechte im Grundgesetz zu verankern. Die Regierungskoalition hat sich diesen Auftrag in den Koalitionsvertrag geschrieben und eine Bund-Länder-Arbeitsgruppe mit der Erarbeitung eines Formulierungsvorschlages beauftragt.
In den Verfassungen vieler anderer europäischer Staaten, aber auch in den meisten Landesverfassungen der Bundesländer sind Rechte von Kindern bereits festgeschrieben. Zentraler Maßstab für die Verankerung der Kinderrechte im Grundgesetz sollte die UN-Kinderrechtskonvention sein. Mit der Europäischen Grundrechtecharta gibt es für diese Umsetzung bereits ein überzeugendes Vorbild.
FAQ zum Thema Kinderrechte ins Grundgesetz
Warum braucht es überhaupt Kinderrechte im Grundgesetz - gelten die Grundrechte im Grundgesetz nicht auch für Kinder?
Die Grundrechte im Grundgesetz gelten selbstverständlich auch für Kinder, im Grundgesetz kommt dies textlich jedoch noch nicht zum Ausdruck. Die Verankerung von Kinderrechten im Grundgesetz würde dafür sorgen, dass die Rechte von Kindern sichtbarer gemacht werden und Kinder insbesondere als eigenständige Träger_innen von Rechten wahrgenommen werden würden. Ebenso könnten die im Grundgesetz bereits enthaltenen Grundrechte dann auch kindgerecht und kinderspezifisch angewendet werden. Auch ist das Grundgesetz bewusst als Wertekanon konzipiert, weshalb sich der breite gesellschaftliche Konsens, dass Kinder eigenständige Träger_innen von Rechten sind, auch im Grundgesetz wiederfinden sollte. Die Bundesrepublik würde so auch dem Beispiel anderer europäischer Staaten folgen.
Wäre die Verankerung von Kinderrechten im Grundgesetz nicht nur eine Form von überflüssiger Symbolpolitik?
Die Verankerung von Kinderrechten im Grundgesetz ist eine Staatenverpflichtung aus der UN-Kinderrechtskonvention. Die Verankerung der Grundprinzipien der UN-Kinderrechtskonvention im Grundgesetz würde ferner auch weitreichende rechtliche Mehrwerte generieren: Das Grundgesetz verpflichtet bisher nicht dazu, dass der Staat bei allen Entscheidungen, die Kinder betreffen, das Kindeswohl (best interests of the child) ermitteln und berücksichtigen muss. Auch das Instrument der Beteiligung von Kindern wird durch das Grundgesetz bisher nicht vorgegeben.
Reicht es nicht, dass die Bundesrepublik die UN-Kinderrechtskonvention ratifiziert hat?
Die UN-Kinderrechtskonvention ist ein völkerrechtlicher Vertrag und steht als solcher auf gleicher Ebene wie das einfache Bundesrecht. Die vom Bundesverfassungsgericht entwickelten Grundsätze der völkerrechtsfreundlichen Rechtsprechung werden in der Rechtspraxis häufig nicht konsequent angewendet. Der Ausschuss der Vereinten Nationen für die Rechte des Kindes hat die Bundesregierung wiederholt dazu aufgefordert, sicherzustellen, dass die UN-Kinderrechtskonvention Vorrang vor dem einfachen Bundesrecht hat. In Deutschland kann dies nur durch eine Einbindung in das Grundgesetz umgesetzt werden.
Würde die Verankerung von Kinderrechten im Grundgesetz nicht dazu führen, dass der Staat eine Grundlage dafür erhält, weitreichend in das Eltern-Kind-Verhältnis einzugreifen? Würde so nicht der Vorrang des Erziehungsrechts der Eltern ausgehebelt werden?
Die Aufnahme von Kinderrechten im Grundgesetz würde nicht das Eltern-Kind-Verhältnis berühren, sondern das Verhältnis des Kindes gegenüber dem Staat. Im Verhältnis des Kindes gegenüber dem Staat sind die Eltern nicht nur dazu berechtigt, sondern auch dazu verpflichtet, auf der Seite ihres Kindes zu stehen. Diese besondere Stellung der Eltern steht bereits im Grundgesetz und ist auch in der UN-Kinderrechtskonvention formuliert.
Wenn man Kinderrechte im Grundgesetz verankert, muss es dann nicht auch für alle anderen Bevölkerungsgruppen besondere Vorschriften im Grundgesetz geben?
Ein solcher Automatismus existiert verfassungsrechtlich nicht, vielmehr obliegt diese Entscheidungshoheit dem Verfassungsgesetzgeber. Kinder sind jedoch eine Bevölkerungsgruppe, die – zeitweilig - alle Menschen umfasst. Der Staat sollte zudem ein besonderes Interesse daran haben, diejenigen zu schützen, die aus unterschiedlichen Gründen nicht dazu in der Lage sind, die ihnen zustehenden Rechte selbstständig uneingeschränkt einzufordern beziehungsweise auszuüben. Zu diesem Personenkreis zählen neben Kindern insbesondere Menschen mit Behinderungen, welche bereits über einen besonderen grundrechtlichen Schutz verfügen.
Wenn der Verfassungsgesetzgeber nur einzelne Rechte der UN-Kinderrechtskonvention im Grundgesetz verankert, bringt er dann nicht im Umkehrschluss zum Ausdruck, dass er alle anderen Rechte der UN-Kinderrechtskonvention nicht in gleicher Weise akzeptiert?
Zentrale Rechte der UN-Kinderrechtskonvention bringen den universellen, unteilbaren und unveräußerlichen Gehalt der Kinderrechte zum Ausdruck und stehen in Wechselwirkung mit den weiteren Einzelrechten der Konvention. Dies gilt insbesondere für das „Kindeswohlprinzip“ (best interests of the child) gemäß Artikel 3 Absatz 1 UN-Kinderrechtskonvention. Eine vollständige Überführung der UN-Kinderrechtskonvention in das Grundgesetz ist weder geboten noch sinnvoll.
Reicht es nicht, wenn der Verfassungsgesetzgeber das „Kindeswohlprinzip“ als wesentliches Prinzip in das Grundgesetz übernimmt? Wofür braucht es das Recht auf Beteiligung?
Das „Kindeswohlprinzip“ (Artikel 3 Absatz 1 UN-Kinderrechtskonvention) und das Recht auf Gehör und Berücksichtigung der Meinung des Kindes (Beteiligung, Artikel 12 UN-Kinderrechtskonvention) sind untrennbar miteinander verbunden; eine Trennung dieser beiden Prinzipien wäre ein fundamentaler Bruch eines über Jahrzehnte gewachsenen kinderrechtlichen Verständnisses. Auch in der Europäischen Grundrechtecharta wurden beide Prinzipien aus diesem Grund gemeinsam verankert. Hintergrund ist, dass die Beteiligung eines Kindes das erforderliche Instrument dafür ist, um das Kindeswohl (best interests of the child) zu ermitteln. Der Staat ist verpflichtet, bei seiner Entscheidung die Perspektive des Kindes einzubeziehen. Das Recht auf Gehör und Berücksichtigung der Meinung des Kindes (Beteiligung) sollte jedoch nicht damit verwechselt werden, dass die Kinder auch die Entscheidung treffen – dies bleibt den staatlichen Stellen nach sorgfältiger Abwägung der jeweiligen Interessen vorbehalten. Die Beteiligung des betroffenen Kindes ist hierfür jedoch unabdingbar und letztlich Teil der Achtung der Würde des Kindes. Es kann zugleich auch ein Instrument sein, um Kindern den bestmöglichen Schutz zukommen zu lassen.