Segregierende Strukturen des Werkstatt-Systems aufbrechen
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Meldung
Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) hat im vergangenen Jahr einen Reformprozess begonnen, um dem jetzigen konventionswidrigen Zustand der Werkstätten für behinderte Menschen (WfbM) in Deutschland zu begegnen.
Die zentrale Bedeutung dieser Reform ist noch einmal bei der Follow-up-Konferenz zur 2./3. Staatenprüfung zum Umsetzungstand der UN-Behindertenrechtskonvention (UN-BRK) in Deutschland am 27.02.2024 deutlich geworden. Zur Unterstützung des Vorhabens hat die Monitoring-Stelle UN-BRK des Instituts dem BMAS ein Eckpunktepapier mit wesentlichen, aus menschenrechtlicher Sicht zu beachtenden Aspekten zugeleitet.
Die geplante Reform sieht Änderungen in vier Handlungsfeldern vor:
Zugang in die Werkstatt
Übergang aus der Werkstatt auf den allgemeinen Arbeitsmarkt
Werkstattentgelt: Transparenz und Angemessenheit
Teilhabe von Menschen mit komplexen Behinderungen
Segregierende Strukturen aufbrechen und verringern
Segregierende Strukturen dürfen nicht weiter aufrechterhalten, sondern müssen aufgebrochen und verringert werden: Für ein inklusives System sind effektive Übergänge vom Lernen in der Schule zu beruflicher Bildung und Hochschulbildung bis schließlich zur Arbeit sicherzustellen. Ohne echte Wahlmöglichkeiten während aller Phasen des Lern- und Arbeitslebens kann ein inklusives System nicht entstehen.
Deutschland ist als Vertragsstaat ohne Abstriche der UN-BRK verpflichtet und muss Menschen mit Behinderungen die Teilhabe an (Berufs-)Bildung und Erwerbsleben gleichberechtigt mit Menschen ohne Behinderungen gewährleisten.
Personenzentrierung und Wunsch- und Wahlrecht
Ein menschenrechtskonformes Ausbildungssystem braucht keine neuen besonderen Maßnahmen außerhalb des Regel-Ausbildungssystems. Diese führen nur zu mehr Segregation. Wichtig ist stattdessen insgesamt mehr Inklusion. Jugendliche mit Behinderungen brauchen ebenso wie Jugendliche ohne Behinderungen eine Vielfalt an inklusiven Ausbildungsoptionen. Ausschlaggebend müssen die individuellen Bedarfe, das individuelle Potenzial sowie das Wunsch- und Wahlrecht der Betroffenen sein.
Höhere Durchlässigkeit und passende Rahmenbedingungen
Barrieren beim Übergang auf den allgemeinen Arbeitsmarkt müssen abgebaut werden. Werkstatt-Beschäftigte müssen für einen Übergang auf fachkompetente Beratung und umfangreiche Unterstützung zurückgreifen können. Auch aufseiten der Arbeitgeber*innen braucht es passende Rahmenbedingungen. Sanktionen reichen nicht aus. Es braucht Motivatoren.
Existenzsicherndes Entgelt in Werkstätten für Menschen mit Behinderungen
Die derzeitige Bezahlung in Werkstätten für Menschen mit Behinderungen unterhalb des Mindestlohns ist konventionswidrig. Werkstatt-Beschäftigten muss Autonomie durch finanzielle Mittel zuteilwerden. Dazu braucht es den Mindestlohn.
Ist ein faires und existenzsicherndes Lohnsystem erst einmal etabliert und sichergestellt, kann und sollte die Erwerbsminderungsrente angegangen werden. Finanzielle Nachteile erst entstehen zu lassen und dann im Nachhinein auszugleichen, ist menschenrechtlich betrachtet nicht vertretbar.
Recht auf Arbeit unabhängig von Komplexität der Behinderung
Das fundamentale Menschenrecht des Artikel 27 UN-BRK gilt für alle Menschen mit Behinderungen, unabhängig von der Ausprägung ihrer Behinderung. Ob ein „Mindestmaß an wirtschaftlich verwertbarer Arbeitsleistung“ (§ 219 Abs. 2 SGB IX) geleistet werden kann oder nicht, ändert an der Rechtsposition nichts.
Konventionswidriger Zustand in Deutschland
Artikel 27 UN-BRK enthält „das Recht auf die Möglichkeit, den Lebensunterhalt durch Arbeit zu verdienen, die in einem offenen, inklusiven und für Menschen mit Behinderungen zugänglichen Arbeitsmarkt und Arbeitsumfeld frei gewählt oder angenommen wird“. Dieses fundamentale Menschenrecht wird nicht verwirklicht für Menschen, für die praktisch nur die Möglichkeit einer segregierten Beschäftigung besteht.
Deutschland hat dennoch nach wie vor ein stark ausgebautes System von Sonderstrukturen. Etwa 300.000 Menschen mit Behinderung arbeiten in WfbM. Die Übergangsquote auf den allgemeinen Arbeitsmarkt ist gering. Werkstätten in ihrer heutigen Form führen zu Segregation und Exklusion und sind nicht Teil eines inklusiven Arbeitsmarktes. Im Gegenteil sind sie ein Anzeiger dafür, wie wenig inklusiv der heutige Arbeitsmarkt immer noch ist.
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