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40 Jahre UN-Antifolterkonvention – Auch für Deutschland bleibt viel zu tun

Das Übereinkommen soll dem Kampf gegen Folter und Misshandlung weltweit größere Wirksamkeit verleihen. © iStock/Rhombur

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Vor 40 Jahren, am 10. Dezember 1984, verabschiedete die Generalversammlung der Vereinten Nationen das Übereinkommen gegen Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe. Die Antifolterkonvention (Convention against Torture – CAT) konkretisiert das absolute Folterverbot aus Artikel 5 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte und Artikel 7 des Internationalen Pakts über bürgerliche und politische Rechte. Ihre Verabschiedung war, so die Präambel, von dem Wunsch getragen, dem Kampf gegen Folter und Misshandlung weltweit größere Wirksamkeit zu verleihen.

Die Konvention definiert den Begriff „Folter“ und verpflichtet die Vertragsstaaten, wirksame Maßnahmen zu ihrer Verhinderung und strafrechtlichen Verfolgung zu ergreifen und Menschen unter keinen Umständen in Staaten abzuschieben oder auszuweisen, in denen ihnen Folter droht. Personal, das mit Menschen im Freiheitsentzug befasst ist, ist in der Ausbildung und in Dienstanweisungen über das Folter- und Misshandlungsverbot zu unterrichten. Zudem haben die Vertragsstaaten sicherzustellen, dass mutmaßliche Opfer das Recht auf Anrufung der zuständigen Behörden haben und Vorwürfe unparteiisch untersucht werden. Über die Umsetzung der Antifolterkonvention berichten die Staaten dem Ausschuss gegen Folter, einem Gremium aus zehn unabhängigen Sachverständigen.

Deutschland seit 1990 Vertragsstaat

Die Antifolterkonvention trat am 26. Juni 1987 in Kraft, nachdem Dänemark den Menschenrechtsvertrag als 20. Staat ratifiziert hatte. Die Bundesrepublik Deutschland ratifizierte die Konvention am 1. Oktober 1990.

Zusätzlich ratifizierte Deutschland am 4. Dezember 2008 auch das freiwillige Zusatzprotokoll zur Antifolterkonvention (Optional Protocol to the Convention against Torture – OPCAT). Damit verpflichtete es sich, ein System zu etablieren, bei dem unabhängige nationale und internationale Gremien regelmäßig Orte des Freiheitsentzugs besuchen, um Folter und Misshandlung zu verhindern. Als unabhängiges nationales Gremium wurde die Nationale Stelle zur Verhütung von Folter eingerichtet, die seit Beginn ihrer Arbeit mehr als 700 Besuche in Gefängnissen, Gewahrsamseinrichtungen von Polizei, Bundeswehr und Zoll, psychiatrische Anstalten, geschlossene Kinder- und Jugendheime sowie Pflegeeinrichtungen durchgeführt hat, um dort die Bedingungen des Freiheitsentzugs zu inspizieren.

Heute gilt die Antifolterkonvention in 174 Staaten – zuletzt trat der Pazifikstaat Tuvalu im März 2024 bei. Das Zusatzprotokoll OPCAT haben 91 Staaten ratifiziert. Gleichwohl sind Folter und Misshandlung immer noch weit verbreitet.

Nationale Stelle zur Verhütung von Folter stärken

Dabei sind auch Europa und Deutschland nicht immun, wie die Berichte über brutale Gewalt gegen Geflüchtete bei illegalen Pushbacks an den EU-Außengrenzen oder die jüngsten Vorwürfe wegen der Misshandlung von Häftlingen in der Justizvollzugsanstalt Augsburg-Gablingen zeigen.

Die Berichte aus dem Justizvollzug verdeutlichen die Notwendigkeit der Arbeit der Nationalen Stelle zur Verhütung von Folter. Diese beklagt aber seit Jahren, dass sie angesichts ihrer geringen Ausstattung nur stichprobenartige Überprüfungen in den etwa 13.000 Orten des Freiheitsentzugs, die es in Deutschland gibt, durchführen kann, so dass eine Wahrnehmung ihrer Aufgaben nur eingeschränkt möglich ist. Ihre Stärkung ist daher dringend geboten.

Refoulement-Verbot unter Druck

Andere Themen, an die es anlässlich des 40. Jahrestags der Verabschiedung der Antifolterkonvention zu erinnern gilt, sind Abschiebungen in Länder wie Afghanistan, Zwangsmaßnahmen in Psychiatrie, Behindertenhilfe und Pflege, die Situation im Maßregelvollzug sowie die fehlende Ermittlung rechtswidriger Polizeigewalt.

Ende August waren erstmals seit Machtübernahme der Taliban 28 Männer nach Afghanistan abgeschoben worden. Angeblich hat die Bundesregierung dafür – vermittelt von einem Drittstaat – Vorkehrungen für die Sicherheit der Abgeschobenen getroffen. Dabei hat der UN-Ausschuss gegen Folter in der Vergangenheit immer wieder gewarnt, dass selbst sogenannte diplomatische Zusicherungen, also Absichtserklärungen von Regierungen, zu denen die Bundesrepublik – anders als gegenüber dem Taliban-Regime – diplomatische Beziehungen unterhält, keinen hinreichenden Schutz vor Folter bieten.

Defizite in Psychiatrie und Maßregelvollzug

Die Anwendung freiheitsentziehender Maßnahmen in der Psychiatrie, Behindertenhilfe und Pflege stellt eine weitere menschenrechtliche Herausforderung dar. Die strengen Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts zu Fixierungen sind in vielen Bundesländern noch nicht vollständig umgesetzt. Zugleich verweisen Studien auf strukturelle Defizite wie Zeitmangel, Personalknappheit und fehlende Fachlichkeit, die dazu führen, dass Fixierungen nicht wie verfassungsrechtlich vorgesehen als „Ultima Ratio” angewendet werden.

Auf die problematische Situation im Maßregelvollzug weisen die Nationale Stelle zur Verhütung von Folter und zivilgesellschaftliche Verbände hin. Sie ist durch lange Verweildauer der Patient*innen, massive Überbelegung und fehlende Therapieangebote gekennzeichnet.

Polizeibeschwerdestellen und Kennzeichnungspflicht?

Zwar hat es mit Blick auf die unparteiische Untersuchung von mutmaßlich rechtswidriger Polizeigewalt in den letzten Jahren Fortschritte gegeben. So existieren inzwischen in der Mehrheit der Bundesländer unabhängige Polizeibeauftragtenstellen und eine Pflicht zur individuellen Kennzeichnung von Polizeibeamt*innen, damit mutmaßliche Täter*innen zweifelsfrei ermittelt werden können. Aber die flächendeckende Einführung der beiden Instrumente steht entgegen weiterhin aus. Zudem fehlt den Polizeibeauftragten, anders als Polizeibeschwerdemechanismen in anderen Staaten, die Befugnis strafrechtliche Ermittlungen durchzuführen.

Deutschland muss dem UN-Ausschuss gegen Folter regelmäßig über Fortschritte bei der Umsetzung des Übereinkommens gegen Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe berichten. Die Bundesregierung hat ihren siebten Staatenbericht im Juli 2024 eingereicht. Stoff für die Diskussion im Ausschuss gibt es genug.

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