Weltweit setzen sich Menschen individuell oder als Gruppen für die Durchsetzung von Menschenrechten ein. Dabei riskieren diese Menschenrechtsverteidiger*innen mitunter sogar ihr Leben. Wir beleuchten, warum ihre Arbeit so riskant ist und welche Unterstützungsmechanismen bestehen.
Menschenrechtsverteidiger*innen sind Aktivist*innen, die sich einzeln oder in Gruppen mit friedlichen Mitteln für die Förderung und den Schutz von Menschenrechten einsetzen. Damit setzen sie sich gleichzeitig für gesellschaftlichen Zusammenhalt und für die Eindämmung von Konflikten ein. Zu ihren typischen Aktivitäten zählen beispielsweise die Dokumentation von Menschenrechtsverbrechen, der Einsatz bzw. das Sprechen für Betroffene oder konkrete rechtliche, medizinische oder sonstige Unterstützung. Das kann sowohl berufliche als auch ehrenamtliche Tätigkeiten umfassen.
Offiziell verwendet wurde der Begriff Menschenrechtsverteidiger*in erstmals 1998 in der UN-Erklärung zum Schutz von Menschenrechtsverteidigern, die am 9. Dezember 2023 ihr 25-jähriges Jubiläum feiert. Jeder Mensch hat der Erklärung zufolge das Recht, die Menschenrechte zu verteidigen. Die Erklärung fordert alle Staaten der Vereinten Nationen dazu auf, Menschenrechtsverteidiger*innen zu schützen und betont deren besondere Situation. Ausgehend von der Erklärung wurde zwei Jahre später das Amt des*der UN-Sonderberichterstatter*in für Menschenrechtsverteidiger*innen geschaffen, welches derzeit Mary Lawlor bekleidet. Ihre Aufgaben bestehen unter anderem darin, die wirksame Umsetzung der Erklärung weltweit voranzutreiben und Strategien zum besseren Schutz der Menschenrechtsverteidiger*innen zu erarbeiten.
Besonderer Schutz ist auch nötig. Denn durch ihr Engagement setzen sich Menschenrechtsverteidiger*innen mitunter großen Gefahren aus. So werden sie in vielen Ländern stigmatisiert, gerichtlich schikaniert, willkürlich verhaftet, misshandelt oder sogar ermordet. Wenn sie zudem einer Minderheit angehören oder über bestimmte Diskriminierungsmerkmale verfügen, sind sie meist sogar noch stärker gefährdet. Diese Bedrohung hat viele Facetten und kann dabei sowohl von nicht staatlichen als auch von staatlichen Akteuren ausgehen. Allein im Jahr 2021 wurden laut einer Analyse von Frontline Defenders, einer Nichtregierungsorganisation in Irland, die sich für Menschenrechtsverteidiger*innen engagiert, über 358 Menschenrechtsverteidiger*innen in 35 verschiedenen Ländern getötet.
Bedrohung durch eingeschränkte zivilgesellschaftliche Handlungsspielräume
Trotz positiver Entwicklungen im Völkerrecht und in einigen nationalen Gesetzgebungen hat sich die Situation der Menschenrechtsverteidiger*innen in vielen Erdteilen verschlechtert. Ein Grund hierfür sind unter anderem eingeschränkte Handlungsspielräume der Zivilgesellschaft. Diese Handlungsspielräume, die sowohl für die breite Zivilgesellschaft als auch für Menschenrechtsverteidiger*innen wichtig sind, werden häufig als „förderliches Umfeld“ beschrieben.
Was es damit auf sich hat, erklärt Michael Windfuhr, stellvertretender Direktor des Deutschen Instituts für Menschenrechte: „Zivilgesellschaftliche Gruppen und Organisationen benötigen ein Umfeld, in dem sie frei und ohne politische Einflussnahme agieren können.“ In der Realität schränken Staaten diesen Handlungsspielraum für Zivilgesellschaft auf nationaler Ebene jedoch zunehmend ein oder schaffen diesen sogar gänzlich ab.
Für Menschenrechtsverteidiger*innen bringen diese Einschränkungen ganz konkrete Gefahren mit sich: Staatliche und nicht staatliche Akteure wenden neue Techniken und Formen der Repression an, einschließlich Diffamierungskampagnen in den Medien, Mobbing gegen soziale Mediennetzwerke und Blogs oder Überwachung der Kommunikation. Nationale Sicherheitsgesetze und die Einschränkung der Rechte auf Meinungs-, Vereinigungs- und Versammlungsfreiheit legen zudem den Grundstein dafür, Menschenrechtsverteidiger*innen unter Strafe zu stellen und ihre Arbeit mit legalen Mitteln in Misskredit zu bringen.
Auch in Deutschland hat die Anzahl an verbalen Angriffen, Bedrohungen, Beleidigungen und Einschüchterungsversuchen von Menschenrechtsverteidiger*innen in den letzten Jahren zugenommen. In den sozialen Medien ist zum Beispiel eine Zunahme von Hassrede gegen Menschenrechtsverteidiger*innen zu beobachten.
Unterstützung für Menschenrechtsverteidiger*innen
Menschenrechtsverteidiger*innen haben abhängig von ihrer jeweiligen Situation sehr unterschiedliche Unterstützungsbedarfe. Neben gezielten Trainings von Einzelpersonen, Gruppen oder Organisationen, wie sie etwa von Akteuren wie dem „OSCE Office for Democratic Institutions and Human Rights“ (ODIHR) angeboten werden, kann die Schaffung eines „förderlichen Umfelds“ für die Zivilgesellschaft wesentlich zum Schutz von Menschenrechtsverteidiger*innen beitragen. Eine Möglichkeit bietet hier etwa die gezielte Projektförderung.
Humanitäre Visa für die Aufnahme in einem anderen Staat sind ein weiteres Instrument, um Menschenrechtsverteidiger*innen in Ausnahmensituationen zu schützen. Eine Unterstützungsmöglichkeit bietet in diesem Bereich die 2020 geschaffene Elisabeth-Selbert-Initiative des Instituts für Auslandsbeziehungen (ifa). Sie bietet gefährdeten Menschenrechtsverteidiger*innen Schutzaufenthalte in Deutschland, die diese zur Erholung und – wenn möglich – für die berufliche Weiterbildung und Netzwerkarbeit nutzen können. Ein unabhängiges Gremium, dem auch das Deutsche Institut für Menschenrechte angehört, trifft die Entscheidungen über die jeweilige Förderung.
Um das Engagement von Menschenrechtsverteidiger*innen weltweit in Deutschland sichtbarer zu machen, organisiert das Deutsche Institut für Menschenrechte in Kooperation mit Brot für die Welt jährlich die „Werner Lottje Lecture“. Zu dieser Veranstaltungsreihe werden jedes Jahr andere Menschenrechtsverteidiger*innen aus verschiedenen Weltregionen gewürdigt und nach Berlin eingeladen, um mit Vertreter*innen aus Poltik, Zivilgesellschaft und Wissenschaft über ihre spezifische Arbeit sowie über den allgemeinen Schutz von Menschenrechtsverteidiger*innen zu diskutieren.
(T. Stelzer)