Weltweit werden Frauen, Männer und Kinder ausgebeutet – auch in Deutschland. Kriminelle Netzwerke nutzen die Notlage der Menschen aus und schlagen wirtschaftlichen Profit daraus. Die Betroffenen haben kaum eine Chance, ihr Recht auf Selbstbestimmung oder ihren Anspruch auf Lohn durchzusetzen. Das Institut setzt sich seit dem 1. November 2022 als unabhängige Berichterstattungsstelle Menschenhandel für ihren Schutz ein.
Menschenhandel ist eine extreme Form der Ausbeutung und eine schwere Menschenrechtsverletzung. „Menschenhandel verletzt die Menschenwürde der Betroffenen und ihr Recht auf Selbstbestimmung“, sagt Institutsdirektorin Beate Rudolf. Auch in Deutschland werden Frauen und Männer in oftmals unregulierten und prekären Branchen wirtschaftlich ausgebeutet, zur Prostitution, Bettelei oder zu Ladendiebstählen gedrängt. Täter*innen schrecken dabei auch vor der Ausbeutung von Kindern nicht zurück. Die Menschenhandelskonvention des Europarates und die EU-Menschenhandelsrichtlinie verpflichtet Deutschland dazu, Menschenhandel zu verfolgen und die Betroffenen zu unterstützen. Wie die Konvention in Deutschland umgesetzt wird, prüft die Berichterstattungsstelle Menschenhandel des Instituts, die im November 2022 ihre Arbeit aufgenommen hat.
Menschenhandel verletzt grundlegende Rechte
Ob bei sexuellen Dienstleistungen, in der häuslichen Pflege, in der Gastronomie, auf Baustellen oder beim Betteln: Die verschiedenen Formen von Ausbeutung in diesen Bereichen haben im Zusammenhang mit Menschenhandel eines gemeinsam: Menschen werden zur wirtschaftlichen Ausbeutung in ihrer Selbstbestimmung massiv eingeschränkt, ihr Rechte werden grundlegend verletzt. Schlechte, selbst sehr schlechte Arbeitsbedingungen allein reichen jedoch nicht aus, um als Menschenhandel im juristischen Sinne gewertet zu werden – Gewalt, Täuschung oder Erpressung beziehungsweise eine hilflose Lage in einem fremden Land müssen – zumindest bei erwachsenen Betroffenen – hinzukommen.
Täter*innen nutzen Notsituationen aus
Menschen, die vor Krisen und Konflikten, Verfolgung und Diskriminierung sowie den Folgen von Armut und Klimawandel auf der Flucht sind, sind besonders gefährdet. Betroffene, die aus dem Ausland nach Deutschland kommen und hier ausgebeutet werden, stammen laut BKA vor allem aus Ost- und Südosteuropa sowie aus Asien. Dort leben sie oft in Armut und ohne Perspektive. Sie suchen nach jeder sich bietenden Möglichkeit, im Ausland zu arbeiten. Gleichzeitig verzeichnet das BKA auch eine große Zahl Betroffener mit deutscher Staatsangehörigkeit im Bereich der sexuellen Ausbeutung.
Die Täter*innen sind überwiegend männlich und stammen teilweise aus Netzwerken der Organisierten Kriminalität. Sie nutzen die Notlage der Frauen, Kinder und Männer aus oder bringen sie gezielt in eine Zwangslage.
Betroffene erleben eine große Hilflosigkeit
Lebensumstände und Not führen dazu, dass Betroffene falschen Versprechungen glauben, sich für den Weg nach Deutschland verschulden, weitgehende Verpflichtungen eingehen oder ihre Dokumente, etwa den Reisepass, den Täter*innen in die Hände geben. Schlimmstenfalls werden die Betroffenen selbst oder ihre Familien bedroht und erleben psychische und physische Gewalt. In Deutschland angekommen, dürfen viele Betroffene von Menschenhandel – insbesondere Frauen und Kinder – nicht über ihren Körper entscheiden, sich nicht mehr frei bewegen. Anderen wird der Lohn vorenthalten oder sie bekommen nur einen Bruchteil des Lohns, weil der Rest als „Vermittlungsgebühr“ einbehalten wird. Sie müssen unzählige Überstunden machen, unter teilweise gesundheitsgefährdenden und (lebens-)gefährlichen Bedingungen arbeiten. In vielen Fällen werden den Betroffenen Papiere, Geld und Handy entzogen. Ihnen wird vermittelt, vollkommen abhängig zu sein.
Ziel und Aufgaben der Berichterstattungsstelle Menschenhandel des Instituts
Hinzu kommt: Die Betroffenen haben kaum Chancen, ihre rechtlichen Ansprüche, so auch Lohn und Entschädigung, gegenüber den Täter*innen durchzusetzen. Weil die Straftatbestände sehr komplex sind und es immer wieder zu Beweisschwierigkeiten kommt, werden nur sehr wenige Täter*innen verurteilt. Fehlende Sprach-, Orts- und Rechtskenntnisse oder ein unsicherer Aufenthaltsstatus machen es Betroffenen zudem schwer, sich Hilfe zu holen. „Betroffene von Menschenhandel und Ausbeutung haben ein Recht auf Opferschutz. Dafür sind mitunter ein Aufenthaltstitel, eine sichere Unterkunft und materielle Unterstützung nötig. Gesetze und Strategien zur Bekämpfung des Menschenhandels müssen daher die Rechte der Betroffenen in den Vordergrund stellen“, stellt Beate Rudolf klar.
Im Zentrum der Arbeit der Berichterstattungsstelle Menschenhandel des Instituts steht deswegen der Zugang zu Schutz, Beratung und Unterstützung. Langfristiges Ziel ist es, künftige Menschenrechtsverletzungen zu verhindern. Die Berichterstattungsstelle wird dafür zunächst untersuchen, wie Deutschland die Menschenhandelskonvention und die EU-Menschenhandelsrichtlinie umsetzt und Politik und Verwaltung beraten, was wie verbessert werden muss. Das Ziel: aussagekräftige Daten über die Situation von Betroffenen von Menschenhandel, angemessene Gesetze sowie an Schutz und Unterstützung von Betroffenen orientierte Arbeit von Polizei und Justiz. 2024 wird die Berichterstattungsstelle ihren ersten Periodischen Bericht veröffentlichen.
(A. Bermejo)