Menschenrechte schützen die Menschenwürde aller Menschen, in jeder Lebenssituation und in jedem Lebensalter – das gilt uneingeschränkt auch für ältere und pflegebedürftige Menschen in Pflegeheimen. Doch nicht erst die Situation von Heimbewohner*innen in der Corona-Pandemie, auch der Pflegealltag zeigt : Das Versprechen der Menschenrechte wird in der Altenpflege nicht immer eingelöst.
Beschwerdemöglichkeiten sind zentraler Baustein für die Achtung der Menschenwürde, sie sichern den Bewohner*innen von Pflegeeinrichtungen Selbstbestimmung. Dazu ist Deutschland verpflichtet – durch das Grundgesetz und durch internationale Menschenrechtsverträge, insbesondere die Charta der Rechte hilfe- und pflegebedürftiger Menschen, die UN-Behindertenrechtskonvention und die Charta zur Betreuung schwerstkranker und sterbender Menschen. Das Institut fordert deshalb den flächendeckenden Ausbau bzw. die Verbesserung niedrigschwelliger Beschwerdeverfahren in Pflegeeinrichtungen.
Niedrigschwellige Beschwerdemöglichkeiten schützen die Menschenwürde – auch im Alter
Konkrete Empfehlungen für die Einrichtung von effektiven Beschwerdeverfahren in der stationären Altenpflege formuliert das Institut in seiner Publikation „Beschwerdeverfahren verbessern – Menschenrechte schützen. Zwölf Empfehlungen für die stationäre Pflege“.
„Für die Betroffenen ist es wichtig, dass sie die Verletzung ihrer Rechte ansprechen können, ohne dass sie dafür eine Verschlechterung der Pflege oder andere Repressalien befürchten müssen“, so Roger Meyer, wissenschaftlicher Mitarbeiter des Instituts und Co-Autor der Studie. Zentral sei die Etablierung einer positiven Beschwerdekultur in der Altenpflege, die die Bewohner*innen ermutigt, Kritik zu äußern und Mängel anzusprechen. Die Beschwerdeverfahren müssten zudem leicht zugänglich, bekannt und transparent sein.
Zwölf Empfehlungen für die stationäre Pflege
Die Empfehlungen des Instituts basieren auf einer erstmals bundesweit durchgeführten empirischen Erhebung zu außergerichtlichen Beschwerdemöglichkeiten in Pflegeheimen. Im Forschungsprojekt „Beschwerdemechanismen in der Altenpflege“ – gefördert durch die Josef und Luise Kraft-Stiftung – untersuchte das Institut, wie Bewohner*innen in der stationären Altenpflege, ihre Rechte und Interessen gegenüber den Pflegeeinrichtungen mit Hilfe von außergerichtlichen Beschwerdeverfahren durchsetzen. Befragt wurden pflegebedürftige Menschen und ihre Familienangehörigen, Pflegekräfte sowie Expert*innen in Pflegeeinrichtungen, Prüfbehörden und Beschwerdestellen. Das Ziel: Die Erwartungen, Bedürfnisse und Wünsche von Betroffenen zu dokumentieren und zu analysieren. Bei der Befragung standen weniger die Anzahl oder die Häufigkeit von Grund- und Menschenrechtsverletzungen in der stationären Altenpflege im Zentrum. Vielmehr ging es um einen systematischen fallübergreifenden Vergleich der Erfahrungen von Menschen mit Pflegebedarfen und ihren Unterstützer*innen.
Die Empfehlungen richten sich an Pflegeeinrichtungen sowie ihre Träger, staatliche Prüfbehörden und Beschwerdestellen, Wohlfahrtverbände und nicht zuletzt an die Bundesregierung.
Die Handlungsempfehlungen im Einzelnen:
- Das Bewusstsein der Pflegebedürftigen als Träger*innen von Rechten stärken
- Einen weiten Beschwerdebegriff zugrunde legen
- Beschwerden willkommen heißen
- Interne Beschwerdewege bekannt(er) machen
- Über externe Beschwerdeverfahren informieren
- Persönlichen Kontakt zwischen beschwerdeführender Person und Beschwerdestelle ermöglichen
- Beschwerdeberatung und Unterstützung durch Dritte ausbauen
- Vertrauen in die Heimaufsicht und die Prüfinstanzen der Pflegekassen fördern
- Beschwerdeführer*innen regelmäßig über den Verfahrensstand unterrichten
- Beschwerden für strukturelle Verbesserungen nutzen
- Die Mitwirkungsmöglichkeiten der Bewohnerbeiräten bei internen Beschwerdeverfahren fördern
- (Prüf)Vorgaben für Beschwerdeverfahren weiterentwickeln