„Die Voraussetzungen für ein AfD-Verbot sind erfüllt“
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Meldung
Die Gefahr für die freiheitliche Demokratie, die von der AfD ausgeht, wird unterschätzt, sagt Rechtsextremismus-Experte Hendrik Cremer. Er sieht Politik, Bildungsinstitutionen und Medien in der Pflicht.
Im Juni 2023 veröffentlichte das Institut die Studie „Warum die AfD verboten werden könnte. Empfehlungen an Politik und Staat“. Warum beschäftigt es sich so intensiv mit einer einzelnen Partei?
Hendrik Cremer: Das Institut arbeitet seit seiner Gründung zur Bedrohung von Demokratie und Menschenrechten durch Rassismus und Rechtsextremismus. Seit einigen Jahren analysiert es die Programme und Strategien der AfD und entspricht damit seinem gesetzlichen Auftrag: Als Nationale Menschenrechtsinstitution Deutschlands ist es Aufgabe des Instituts, sich für die Wahrung der Menschenrechte und die Garantie der Menschenwürde einzusetzen.
Gab es einen konkreten Anlass für die Analyse über ein mögliches AfD-Verbot?
Cremer: Wir beobachten in der rechtlichen, politischen und gesellschaftlichen Debatte über die AfD ein Grundproblem: Die Gefahr für die freiheitlich demokratische Grundordnung, die von der Partei ausgeht, wird unterschätzt oder verkannt. In der Folge wird die AfD allzu oft wie eine demokratische Partei behandelt. Das wiederum trägt dazu bei, die AfD zu normalisieren – und das ist sehr gefährlich. Deswegen haben wir uns mit der Frage befasst, ob die rechtlichen Voraussetzungen für ein Verbot der AfD erfüllt sind.
Ist die AfD als Ganzes gefährlich oder sind es nur einzelne Parteimitglieder?
Cremer: Unsere Analyse macht deutlich: Die AfD will unsere freiheitliche rechtstaatliche Demokratie zerstören. Die Partei ist nicht nur rechtspopulistisch oder in Teilen rechtsextrem, die AfD ist in ihrer Programmatik insgesamt rechtsextrem und verfassungsfeindlich. Außerdem dominiert inzwischen der Kurs, den insbesondere der Thüringer AfD-Landeschef Björn Höcke vorantreibt und dieser orientiert sich eindeutig an der Gewaltherrschaft des Nationalsozialismus. Dieser Kurs strebt Zwangs- und Gewaltmaßnahmen an, die Millionen von Menschen treffen würden, auch deutsche Staatsangehörige, die nach den national-völkischen Vorstellungen der AfD keine Deutschen sind. Hierzu zählen Deportationen ebenso wie tödliche Gewalt gegenüber denjenigen, die sich nicht an der Umsetzung national-völkischer Ideologie beteiligen wollen.
Ihre Analyse vom Juni 2023 trägt den Titel „Warum die AfD verboten werden könnte. Empfehlungen an Politik und Staat“. Was fordert das Institut?
Cremer: Das Institut empfiehlt Bundestag, Bundesrat und Bundesregierung, zeitnah einen Verbotsantrag vorzubereiten, damit das Bundeverfassungsgericht in der Lage ist, einen solchen Antrag zu prüfen. Das Institut selbst setzt sich dafür ein, dass das Bewusstsein für die Gefahr, die von der AfD ausgeht, in Politik, Staat, Medien und in der Gesellschaft zunimmt. Das ist das zentrale Anliegen unserer Arbeit. Die Analyse zeigt auf, dass die Bedrohung für die freiheitliche demokratische Grundordnung durch die AfD ein Ausmaß erreicht hat, das ein Verbot der Partei nach Artikel 21 des Grundgesetzes durch das Bundesverfassungsgericht rechtfertigt.
Halten Sie es für realistisch, dass ein Verbotsverfahren eingeleitet wird?
Cremer: Unsere Analyse kommt zu dem Ergebnis, dass die Voraussetzungen für ein Verbot der AfD erfüllt sind. Wir spekulieren allerdings nicht darüber, ob die Antragsberechtigten, also Bundesrat, Bundestag oder Bundesregierung, ein Verfahren einleiten werden oder nicht.
Es gab bereits zwei Parteiverbotsverfahren gegen eine rechtsextreme Partei, gegen die NPD. Beide sind gescheitert. Was empfehlen Sie, um ein weiteres Debakel zu vermeiden?
Cremer: Wir gehen nicht davon aus, dass die Politik die Fehler des ersten Verfahrens gegen die NPD wiederholt. Die damalige Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zur Frage des Einsatzes von V-Leuten würde im Fall eines AfD-Verbotsantrags sicherlich berücksichtigt werden.
In jedem Fall ist ein Verbotsverfahren sorgfältig vorzubereiten. Aber angesichts der Publikationen und öffentlichen Äußerungen der AfD und ihrer Führungskräfte habe ich keine Zweifel, dass im Fall der AfD die Voraussetzungen für ein Verbot erfüllt sind. Die immer wieder zu hörenden Bedenken kann ich deshalb nicht nachvollziehen, zumal sie – wenn auch nicht beabsichtigt – eine Verharmlosung der AfD implizieren. Es gibt jedenfalls keinen Grund, die Gefahr, die von der AfD ausgeht, in irgendeiner Weise zu relativieren.
Abgesehen vom Antrag auf ein Parteiverbot – was muss die Politik tun?
Cremer: Es braucht dringend eine strikte Abgrenzung der demokratischen Parteien zur AfD, und zwar auf allen Ebenen – im Bund, in den Ländern und in den Kommunen. Leider beobachten wir insbesondere auf kommunaler Ebene, dass die viel zitierte Brandmauer Löcher hat. Hierfür gibt es zahlreiche Beispiele: So wurden etwa AfD-Mitglieder mit den Stimmen anderer Parteien in Ämter gewählt oder es finden in den kommunalen Parlamenten Anträge der AfD Unterstützung durch andere Parteien. Wir sagen: Die Abgrenzung zur AfD muss unmissverständlich sein und konsequent eingehalten werden. Nur so kann der Gefahr für die freiheitlich demokratische Grundordnung begegnet werden. Die Normalisierung der AfD muss dringend gestoppt werden.
Wer muss noch tätig werden?
Cremer: Es ist wichtig, über die AfD als rechtsextreme und gewaltbereite Partei aufzuklären. Hier sind die Bildungsinstitutionen gefordert, die Schulen und Universitäten ebenso wie der Bereich der außerschulischen politischen Bildung. Das gilt auch für die Institutionen, die staatliche Pflichtenträger*innen, etwa Polizist*innen oder Soldat*innen, ausbilden.
Ist das Disziplinarrecht gefordert?
Cremer: Ja, Beamt*innen, Polizist*innen und Soldat*innen, die für die AfD eintreten, müssen aus dem Staatsdienst entlassen werden. Sie verletzen ihre verfassungsrechtliche Treuepflicht, wenn sie eine Partei unterstützen, die offensichtlich darauf aus ist, die freiheitliche demokratische Demokratie zu beseitigen. Warum ein Eintreten für die AfD mit der verfassungsrechtlichen Treuepflicht von Beamt*innen unvereinbar ist, hat das Institut schon 2022 in einer Studie dargelegt.
Welche Rolle sollten die Medien spielen?
Cremer: Die Medien haben eine wichtige Aufklärungs- und Kontrollfunktion. Journalist*innen müssen faktengetreu und sachlich über die AfD berichten sowie die verfassungsfeindlichen Absichten der AfD klar benennen. Die Menschen müssen wissen, wer da zu Wahl steht und welche Ziele die Partei verfolgt. Entscheidend ist, dass Medien die Partei nicht verharmlosen und AfD-Politiker*innen keine Bühnen bieten, auf denen sie ihr national-völkisches und demokratiefeindliches Gedankengut in die Mitte der Gesellschaft tragen können.
Zur Person
Dr. Hendrik Cremer ist Jurist und seit 2007 wissenschaftlicher Mitarbeiter des Instituts. Seine Arbeitsschwerpunkte sind Rassismus, Rechtsextremismus und das Recht auf Asyl. Er hat zahlreiche wissenschaftliche Studien veröffentlicht und war schon häufig im Bundestag und in Landtagen als Sachverständiger geladen.
Die Monitoring-Stelle UN-Kinderrechtskonvention des Deutschen Instituts für Menschenrechte hat im Auftrag des Hessischen Ministeriums für Soziales und Integration im Zeitraum 2023 - 2024 das Monitoring der Kinder- und Jugendrechte in Hessen durchgeführt. Im…
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Der Kampf gegen Rassismus in seinen verschiedenen Erscheinungsformen ist ein Kernanliegen der Menschenrechte. Dazu verpflichten das Grundgesetz sowie europäische und Internationale Menschenrechtsverträge wie die EMRK und das ICERD.
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