In Berlin ist eine Entwicklung zu verzeichnen, die den Vorgaben der UN-Behindertenrechtskonvention (UN-BRK) im Bereich Bildung zuwiderläuft. Ein deutliches Signal hierfür sind die geplanten Neubauten von Förderschulen in insgesamt vier Bezirken, darunter Pankow, Reinickendorf, Marzahn-Hellersdorf und Neukölln. Auffällig ist, dass diese Neubauten sich vor allem auf Bezirke konzentrieren, die bereits eine hohe Anzahl an Förderschulen aufweisen. Ezgi Aydınlık, wissenschaftliche Mitarbeiterin der Monitoring-Stelle UN-Behindertenrechtskonvention am Deutschen Institut für Menschenrechte, betont dazu: „Am Beispiel von Neukölln und Reinickendorf wird ersichtlich, dass der anvisierte Bau von Förderschulen eng mit strukturellen Problemlagen wie sozialen Ungleichheiten und prekären Lebensverhältnissen verknüpft ist. Förderschulen als exklusive Lernorte tragen jedoch nicht zur Bewältigung dieser Probleme bei, sondern verstärken sie, indem sie die Segregation vertiefen und gleiche Bildungschancen weiter erschweren.“ Zusätzlich unterstreicht die in den letzten Jahren nur vereinzelt erfolgte Einrichtung inklusiver Schwerpunktschulen diese negative Entwicklung, die im Widerspruch zu den menschenrechtlichen Verpflichtungen der UN-BRK zur Schaffung eines inklusiven Bildungssystems steht.
Hohe Anzahl von Schulausschlüssen
Besorgniserregend ist auch die hohe Zahl von Schüler*innen mit Behinderungen, die von Nichtbeschulung oder verkürzter Beschulung betroffen sind. Zivilgesellschaftliche Organisationen berichten schon länger, dass strukturelle Defizite an Berliner Schulen zur Ausgrenzung von Kindern und Jugendlichen mit Behinderungen führen. Diese Defizite betreffen insbesondere die unzureichende schulische Infrastruktur, wie etwa den Personalmangel und die fehlende Barrierefreiheit, und müssen daher dringend behoben werden. Zudem müssen zugrundeliegende normative Regelungen, wie § 43b Absatz 1 des Berliner Schulgesetzes und die zugehörige Verordnung, so gestaltet werden, dass sie mittelbare Diskriminierungen von Kindern und Jugendlichen mit Behinderungen verhindern.
Elternwahlrecht darf nicht zur Legitimation von Förderschulen instrumentalisiert werden
Die Landesregierung rechtfertigt die binäre Struktur des Regel- und Förderschulsystems mit einem Verweis auf das sogenannte Elternwahlrecht. In der heute veröffentlichten Position „Inklusion an Berliner Schulen entschlossen umsetzen“ wird klargestellt, dass das Elternwahlrecht bewusst nicht in den Normtext der UN-BRK aufgenommen wurde, da ein dauerhaftes Nebeneinander von Regel- und Förderschulen, verbunden mit einem Wahlrecht, nicht vereinbar ist mit der Verpflichtung, ein inklusives Bildungssystem zu schaffen. „Aus der Bildungsforschung ist zudem bekannt, dass Bildungsentscheidungen der Eltern soziale Ungleichheiten verstärken“, führt Aydınlık aus. „Die Wahl zwischen inklusiver und separater Beschulung führt zu einer unverhältnismäßigen Häufung benachteiligter Kinder in Förderschulen. Die Umsetzung schulischer Inklusion ist daher nicht nur eine Verpflichtung der UN-BRK, sondern gleichzeitig eine Frage sozialer Gerechtigkeit“.
Berliner Schulpolitik muss ihren Kurs korrigieren
Die Berliner Schulpolitik steht vor der Herausforderung, ihren politischen Kurs zu korrigieren, um schulische Inklusion im Sinne des gemeinsamen Unterrichts strukturell zu gewährleisten. Ein erster Schritt ist die Entwicklung eines Plans für den transformativen Wandel hin zur schulischen Inklusion, der Zeitrahmen, Zuständigkeiten und Ressourcen verbindlich festlegen sollte. „Unabdingbar ist zudem die Reform des Schulgesetzes, um den Wandel hin zur Inklusion normativ abzusichern“, erklärt Aydınlık.
Von zentraler Bedeutung für die Umsetzung ist die Reorganisation des Personals an Förderschulen, beispielsweise in ein Unterstützungssystem innerhalb der Regelschulen, wie es bereits in Bremen praktiziert wird. So würde der segregierte Lernort aufgelöst und das Personal der Förderschulen würde Teil des Lehrerkollegiums an allgemeinen Schulen werden.
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