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Inklusive Bildung: Gemeinsam lernen – miteinander leben

Gemeinsames Leben und Lernen von Kindern mit und ohne Behinderung ist die beste Grundlage für gegenseitigen Respekt und Wertschätzung von Vielfalt. © Andi Weiland/Gesellschaftsbilder.de

Kinder und Jugendliche mit und ohne Behinderungen sollen zusammen lernen und aufwachsen, Förderschulen sollen schrittweise abgebaut werden. So lautet die Vorgabe der UN-Behindertenrechtskonvention, die seit 2009 in Deutschland geltendes Recht ist. Doch in der Realität werden immer mehr Kinder mit Behinderungen aus dem regulären Schulsystem ausgeschlossen. Der internationale Vergleich zeigt: Ein flächendeckendes inklusives Schulsystem ist gut für alle Kinder – mit und ohne Behinderungen. Deutschland benötigt eine Gesamtstrategie für inklusive Bildung, deren Kernelement eine stärkere Kooperation von Bund und Ländern sein sollte.

Kinder und Jugendliche mit Behinderungen haben das Recht auf einen diskriminierungsfreien Zugang zu einem inklusiven Schulsystem. Daran lässt Artikel 24 der UN-Behindertenkonvention (UN-BRK) keinen Zweifel. Die UN-Konvention ist in Deutschland seit 2009 in Kraft und hat den Rang eines Bundesgesetzes. Für das Schul- und Ausbildungssystem heißt das: Schüler*innen mit und ohne Behinderungen sollen zusammen lernen und aufwachsen. „Alle Kinder und Jugendlichen mit Behinderungen sollen an allgemeinbildenden Schulen inklusiv unterrichtet werden, Förderschulen müssen schrittweise abgebaut werden“, fordert Institutsdirektorin Beate Rudolf. „Der internationale Vergleich zeigt: Ein flächendeckendes inklusives Schulsystem ist gut für alle Kinder – mit und ohne Behinderungen.“ Doch noch immer ist Deutschland weit entfernt von einem inklusiven Schulsystem. Es braucht daher eine Gesamtstrategie für inklusive Bildung, deren Ziel und Zweck eine engere Zusammenarbeit von Bund und Ländern sein sollte.

Nur wenige Bundesländer engagieren sich für inklusive Bildung

Die Exklusionsquote – das ist der Anteil der Kinder und Jugendlichen, die im Verhältnis zur Gesamtzahl der Schüler*innen in Förderschulen unterrichtet werden – stagniert seit Jahren. Laut Prognosen der Kultusministerkonferenz wird sich bis 2030/2031 daran auch wenig ändern. Vordergründig bekennen sich viele Landesregierungen zur inklusiven Bildung, in der Realität halten sie aber am Förderschulsystem für Schüler*innen mit Behinderungen fest. Nur sehr wenige Bundesländer zeigen den politischen Willen zum Aufbau eines inklusiven Schulsystems. Die Ausnahme sind Bremen, Hamburg und Schleswig-Holstein, die mit großem Engagement das Recht auf inklusive Bildung umsetzen. Ganz anders Baden-Württemberg, Bayern, Rheinland-Pfalz und das Saarland, wo immer mehr Kinder in Förderschulen unterrichtet werden.

Förderschulen führen zu mehr Exklusion

Das Ergebnis: Aktuell geht in Deutschland mehr als die Hälfte der Schüler*innen mit sonderpädagogischem Förderbedarf auf Förderschulen. Zudem verlassen sie diese Schulen meist ohne Abschluss – der Beginn einer lebenslangen Exklusionskette: Jugendliche mit Behinderungen wechseln oft in gesonderte und theoriereduzierte Formen der Ausbildung. In sogenannten Werkstätten für Menschen mit Behinderungen verdienen sie nicht nur weniger als den Mindestlohn, sie haben auch anschließend weniger Chancen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt, was mittel- und langfristig zu Arbeitslosigkeit und in Armut führen kann.

Die Gründe für die de facto-Exklusion sind vielfältig. Für manche Eltern ist es oft ein beträchtlicher Mehraufwand, einen inklusiven Schulplatz zu organisieren. Anderen wird schon früh vermittelt, dass ihr Kind auf einer Förderschule besser aufgehoben sei. Auch gibt es Eltern, die nur aufgrund unzureichender Informationen eine Förderschule wählen. Und immer wieder legen Lehrer*innen beziehungsweise Regelschulen Schüler*innen mit Behinderungen den Wechsel auf eine Förderschule unmissverständlich nahe.

Empfehlungen des Instituts

  • Einführung einer ergänzenden Zuständigkeit des Bundes für bestimmte Elemente eines inklusiven Schulsystems außerhalb des pädagogischen Kernbereichs (Artikel 74 Absatz 1 Nr. 4 GG)
  • Einführung einer Gemeinschaftsaufgabe zur Schaffung eines inklusiven Schulwesens zur Angleichung und Erweiterung der Standards (Artikel 91b GG)
  • Staatsvertrag zwischen Bund und Ländern: „Pakt für Inklusion“

Ein „Pakt für Inklusion“ zwischen Bund und Ländern

Deutschland muss sich an seinen völkerrechtlichen Verpflichtungen aus der UN-BRK messen lassen. Die Länder müssen die bestehenden Schulsysteme so reformieren, dass alle Kinder und Jugendlichen mit und ohne Behinderungen optimal gefördert werden und niemand wegen einer körperlichen, psychischen, intellektuellen oder Sinnesbeeinträchtigung ausgegrenzt wird. Konkret bedeutet das: Förderschulen müssen schrittweise abgebaut werden.

Die Zuständigkeit der Bundesländer für die Bildung sollte aber nicht dazu führen, dass sich der Bund seiner Gesamtverantwortung für eine inklusive Bildung in Deutschland entzieht. „Bund und Länder sind hier gemeinsam in der Pflicht. Im föderalen Staat tragen beide die Verantwortung dafür, dass das Menschenrecht auf inklusive Bildung für alle Kinder Wirklichkeit wird“, stellt Beate Rudolf klar. Das Institut spricht sich deshalb dafür aus, dass die im Koalitionsvertrag angekündigte „engere, zielgenauere und verbindliche Kooperation“ in der Bildung unbedingt auch den Ausbau eines inklusiven Schulsystems zum Ziel haben sollte. Der Bund sollte die Grundsätze eines inklusiven Schulsystems gestalten, die Länder sollten langfristig mehr finanzielle Mittel erhalten, nicht zuletzt sollten Bund und Länder einen Staatsvertrag als „Pakt für Inklusion“ schließen.

„Inklusive Bildung ist der Grundpfeiler einer inklusiven Gesellschaft“, sagt Susann Kroworsch, Institutsexpertin für inklusive Bildung. „Gemeinsames Leben und Lernen von Kindern mit und ohne Behinderung ist die beste Grundlage für gegenseitigen Respekt und die Wertschätzung von Vielfalt.“

Text: A.Bermejo

Menschenrechte im Fokus - Inklusive Bildung

Das Video in Deutscher Gebärdensprache finden Sie auf unserem YouTube-Kanal.

Publikationen zu diesem Thema

Ansprechpartner*in

© DIMR/B. Dietl

Dr. Susann Kroworsch

Wissenschaftliche Mitarbeiterin

Telefon: 030 259 359 - 444

E-Mail: kroworsch(at)institut-fuer-menschenrechte.de

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