Berlin. Nach Ansicht des Deutschen Instituts für Menschenrechte bietet der aktuelle Gesetzentwurf zur Triage (Zweites Gesetz zur Änderung des Infektionsschutzgesetzes) Menschen mit Behinderungen und älteren Menschen keinen wirksamen Schutz vor Diskriminierung in der Gesundheitsversorgung. „Das im Gesetzentwurf der Bundesregierung vorgesehene Kriterium der Überlebenswahrscheinlichkeit birgt die Gefahr, dass in der Praxis ungewollt unbewusste Benachteiligungen in die Zuteilungsentscheidung einfließen“, erklärt Leander Palleit, Leiter der Monitoring-Stelle UN-Behindertenrechtskonvention des Instituts. Eine Zufallsentscheidung in der Triage wäre die bessere Möglichkeit, ohne Ansehung der Person und damit diskriminierungsfrei zu entscheiden. Damit wäre das Risiko, nicht behandelt zu werden, tatsächlich und nicht nur scheinbar auf alle gleich verteilt.
Anfang Oktober wollen sich der Bundesrat und der Bundestag mit dem Gesetzesentwurf zur Triage befassen. Dabei geht es um die Zuteilung lebensnotwendiger Ressourcen in Pandemie-Zeiten. „Der Gesetzentwurf wirft grundlegende ethische Fragen auf, die nicht allein medizinisch beantwortet werden können“, so Palleit. Deshalb, so Palleit weiter, sei es auch verfehlt, dieses Thema ausschließlich als Frage der Gesundheitspolitik weitgehend unbemerkt von der Öffentlichkeit zu diskutieren. „Notwendig ist hier ein breiter parlamentarischer Diskurs, um dieses existenzielle Thema angemessen und mit dem gebührenden Gewicht zu behandeln“, erklärt Palleit.
„Die neue Regelung muss auch im Zusammenhang mit der Verknappung der Ressourcen im Gesundheitswesen gesehen werden“, betont Claudia Mahler, Expertin des Instituts für die Rechte älterer Menschen. Gerade ältere Menschen hätten nicht nur in der Pandemie die Erfahrung gemacht, dass sie keinen gleichberechtigten Zugang zu Gesundheitsdienstleistungen haben. „Wenn ältere Menschen oder Menschen mit Behinderungen gar nicht erst ins Krankenhaus kommen, weil sie in einer Pflegeeinrichtung oder besonderen Wohnformen leben, dann ist das eine strukturelle Benachteiligung.“
Der Gesetzentwurf ist nach Ansicht des Instituts auch deshalb enttäuschend, weil die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts (Beschluss vom 16.12.2021 – Az.: 1 BvR 1541/20) nicht ausreichend umgesetzt würden. So fehlten etwa Aus- und Fortbildungsmaßnahmen für medizinisches Personal. Auch die vorgesehenen Verfahrenssicherungen wie etwa Dokumentationspflichten müssten geschärft und mit externen Kontrollmechanismen verbunden werden.
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