Istanbul-Konvention
Gewalt gegen Frauen im digitalen Raum wirksam bekämpfen
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Pressemitteilung
Berlin. Anlässlich des Jahrestages des Inkrafttretens der Istanbul-Konvention am 1. Februar erklärt Beate Rudolf, Direktorin des Deutschen Instituts für Menschenrechte:
„Vor vier Jahren ist die Istanbul-Konvention in Deutschland in Kraft getreten. Sie gibt detailliert vor, wie geschlechtsspezifische Gewalt im partnerschaftlichen Nahbereich, im öffentlichen Raum und im Cyberspace wirksam bekämpft werden kann. Die Ampel-Koalition hat sich in ihrem Koalitionsvertrag zur vorbehaltlosen und wirksamen Umsetzung der Istanbul-Konvention bekannt.
Das ist auch dringend erforderlich. Die kriminalstatistische Auswertung der Partnerschaftsgewalt 2020 durch das Bundeskriminalamt (BKA) zeigt, dass die Fälle von Gewalt in bestehenden und ehemaligen Partnerschaften im Vergleich zum Vorjahr um 4,9 Prozent gestiegen sind. 2019 wurden 139 833 Fälle von Partnerschaftsgewalt polizeilich registriert gegenüber 146 655 Fällen im Jahr 2020. Mit 80,5 Prozent sind Frauen weitaus häufiger betroffen von Gewalt als Männer. Und das betrifft nur die polizeilich registrierten Gewalttaten; das Dunkelfeld bleibt groß, weil Betroffene Angst haben, Anzeige zu erstatten.
Gewalt gegen Frauen beschränkt sich jedoch nicht nur auf den familiären Nahbereich, sondern sie zeigt sich auch als Hass gegen Frauen im öffentlichen und digitalen Raum. Neue technische Möglichkeiten verschärfen die Partnerschaftsgewalt: Beispielsweise werden intime Aufnahmen ohne Willen der Betroffenen verbreitet, aus Rache oder zur Einschüchterung, Spyware erleichtert das Stalking und ermöglicht neue Formen der Nachstellung.
Wir empfehlen der Bundesregierung, die geplante Umsetzung der Istanbul-Konvention ‚auch im digitalen Raum‘, wie es im Koalitionsvertrag heißt, an den konkreten Empfehlungen des Sachverständigengremiums GREVIO und der Europarats-Studie auszurichten. Betroffene von geschlechtsspezifischer Gewalt überall wirksam zu schützen, ist eine Verpflichtung aus den Menschenrechten und stellt sicher, dass Frauen sich am öffentlichen Leben gleichberechtigt beteiligen und auch im Privaten selbstbestimmt leben können
Im digitalen und im öffentlichen Raum erleben Frauen sexualisierte Beleidigungen und Bedrohungen, oft mit Beschreibungen sexualisierter Gewalt, ihnen werden unerwünschte Bilder mit sexuellem Inhalt zugesandt, oder ihre Privatadresse wird veröffentlicht. Dies betrifft insbesondere Frauen, die sich online oder offline öffentlich zu Wort melden. Bei Schwarzen Frauen oder Frauen mit familiärer Einwanderungsgeschichte hat all dies zumeist zusätzlich eine rassistische Dimension.
Dies alles ist geschlechtsspezifische Gewalt, die tief in das Recht auf körperliche und seelische Unversehrtheit und das Recht auf Privatleben eingreift. Findet sie gleichzeitig im privaten, öffentlichen und digitalen Raum statt, gibt es für Betroffene fast kein Entkommen.
In all diesen Fällen benötigen Frauen schnell praktische und psycho-soziale Unterstützung, Löschung veröffentlichter Aufnahmen, Sperrung der Social-Media-Konten der Täter, wirksame Strafverfolgung und zivilgerichtlichen Schutz, etwa strafbewehrte Unterlassungsanordnungen oder Entschädigung. Bislang scheitert dies allzu oft an technischen Hindernissen, fehlenden Ressourcen bei Polizei, Staatsanwaltschaften und Gerichten oder fehlender Kooperation der Social-Media-Unternehmen.
Wir begrüßen daher die aktuellen Initiativen des Europarats, auf Grundlage der Istanbul-Konvention gegen geschlechtsspezifische Gewalt im digitalen Raum wirksam vorzugehen. Eine neue Studie des Europarats zeigt auf, wie die Verpflichtungen aus der Istanbul-Konvention und aus der Budapest-Konvention gegen Cybercrime zusammenwirken, um Frauen und Mädchen wirksam vor digitaler Gewalt zu schützen. Auch GREVIO, das Sachverständigen-Gremium des Europarats für die Umsetzung der Istanbul-Konvention, hat kürzlich Empfehlungen zur Bekämpfung digitaler Gewalt verabschiedet.“
Hintergrund
Die Konvention des Europarats zur Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt („Istanbul-Konvention“) ist am 11. Mai 2011 verabschiedet worden und am 1. Februar 2018 für Deutschland in Kraft getreten. Seitdem sind alle staatlichen Stellen in Deutschland dazu verpflichtet, die Anforderungen zur Prävention und Beseitigung von geschlechtsspezifischer Gewalt umzusetzen. Die Konvention basiert auf einem Vier-Säulen-Prinzip: Gewaltprävention, Gewaltschutz, effektive Strafverfolgung und die Verfolgung eines umfassenden koordinierten Ansatzes bei Umsetzung von Maßnahmen. Um die wirksame Umsetzung zu sichern, sollen die Staaten eine staatliche Koordinierungsstelle und eine unabhängige Berichterstattungsstelle einrichten.
Der Jahresbericht gibt einen Überblick über die Arbeitsschwerpunkte des Instituts im Jahr 2023, informiert über seine Aufgaben, gibt einen Überblick über Zahlen, Projekte, Veranstaltungen, Publikationen und enthält Informationen über Service-Angebote.
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