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Digitalisierung in der Pflege – Chancen erkennen und Risiken diskutieren

© DIMR/P. Hahn

· Meldung

Preisverleihung und Podiumsdiskussion zum Thema Digitalisierung in der Pflege am 9. Dezember 2019 in Berlin

Die Digitalisierung führt zu grundlegenden Veränderungen in der Unterstützung älterer Menschen, besonders in der Pflege. Technik kann älteren Menschen dabei helfen, ein autonomes, unabhängiges und würdevolles Leben zu führen; sie eröffnet Möglichkeiten für Bildung und Teilhabe. Doch nicht alle Älteren können am technologischen Fortschritt teilhaben, etwa weil die Technik nicht verfügbar, zu teuer, nicht in die bestehenden Unterstützungssysteme integriert oder überhaupt kein Wissen über die technischen Möglichkeiten vorhanden ist. Die zunehmende Digitalisierung birgt darüber hinaus Risiken: Privatsphäre und Datenschutz können gefährdet sein, neue Formen der Isolation und Segregation oder Diskriminierung sind möglich.

Am Vortag des Internationalen Tages der Menschenrechte am 10. Dezember luden das Deutsche Institut für Menschenrechte, die Josef und Luise Kraft-Stiftung, die Friedrich-Alexander Universität Erlangen-Nürnberg und die Katholische Stiftungshochschule München zur Verleihung des Förderpreises "Menschenrechte und Ethik in der Medizin für Ältere" der Josef und Luise Kraft-Stiftung nach Berlin ein. Im Anschluss diskutierten Sibylle Meyer, Beate Rudolf, Regina Görner und Franz Wagner über Chancen und Risiken der Digitalisierung in der Pflege aus menschenrechtlicher und ethischer Perspektive. Sibylle Meyer führte mit ihrem Eröffnungsvortrag differenziert ins Thema ein.

Dr. Sibylle Meyer, Mitglied der 8. Altersberichtskommission, SIBIS - Institut für Sozialforschung:

"Aus meiner Sicht müssen alle Menschen die Chancen digitaler Technologien nutzen können, gerade wenn es um Autonomie und Teilhabe geht. Konkret muss es in allen Wohnformen für ältere Menschen Internetzugänge und einfach zu bedienende Endgeräte geben. Wir brauchen finanzielle Unterstützung für Menschen, die sich das nicht leisten können und wir brauchen eine Erweiterung des Pflegehilfsmittel-Katalogs."

Prof. Dr. Beate Rudolf, Direktorin des Deutschen Instituts für Menschenrechte:

"Technik kann älteren Menschen dabei helfen, ein autonomes, unabhängiges und würdevolles Leben zu führen. Sie kann beispielsweise die Tür für Bildung und gesellschaftliche Teilhabe öffnen. Zugleich sind aber die Zugangsvoraussetzungen nicht für alle gleich, weil zum Beispiel Technik nicht verfügbar ist, weil sie zu teuer ist oder nicht in bestehende Unterstützungssysteme integriert ist. Und gleichzeitig ist auch klar, dass Risiken bestehen: etwa in Bezug auf den Schutz der Privatsphäre und der persönlichen Daten, aber auch hinsichtlich neuer Formen der Isolation oder der Diskriminierung."

Dr. Regina Görner, Bundesarbeitsgemeinschaft der Seniorenorganisationen:

„Wir müssen akzeptieren, dass die Digitalisierung als solche alternativlos ist. Aber die Frage ist natürlich, wie wir sie ausgestalten. Ich bin dafür, Menschen zu ermutigen, sich mit dieser Frage auseinanderzusetzen. Als erstes plädiere ich für eine Standardisierung des Angebots, damit es überhaupt einen Durchblick geben kann. Und ich ermutige Hersteller, die Perspektive zu wechseln, um es dem Nutzer so leicht wie möglich zu machen. Die Nutzerperspektive spielt bislang eine sehr geringe Rolle Dieser gesellschaftliche Nachholbedarf wird nicht bewältigt werden können, wenn die Betroffenen selbst und deren Interessenvertretungen dies nicht auch thematisieren.“

Franz Wagner, Deutscher Pflegerat e.V. (DPR):

„Bisher stand die technische Seite der Entwicklung sehr im Vordergrund. Ich würde mir eigentlich wünschen, dass jeder, der etwas entwickelt, erst einmal ein vierwöchiges Pflegepraktikum macht, um Einblicke in die Lebenswelt eines Menschen zu bekommen, der alleine zuhause lebt und um überhaupt die richtigen Fragen an die Entwicklung stellen zu können.“

Zu Beginn der Veranstaltung wurde zum zweiten Mal der Förderpreis „Menschenrechte und Ethik in der Medizin für Ältere“ der Josef und Luise Kraft-Stiftung verliehen. Dieses Jahr ging die Auszeichnung an Dr. Birgitta Behringer und das Projekt „Behandlung im Voraus planen“ (BVP) des Ambulanten Ethikkomitees in Bochum. Das Projekt fördert die Selbständigkeit von Menschen in stationären Pflegeeinrichtungen und von Menschen mit geistigen Behinderungen. Ziel ist es, die Achtung und den Respekt vor der Autonomie und der Würde des Menschen wieder in das Zentrum zu stellen. Menschen müssen so behandelt werden wie sie das wollen, selbst wenn ihre Entscheidungsfähig beeinträchtigt ist.

Die Josef und Luise Kraft-Stiftung würdigt mit ihrem Preis engagierte Persönlichkeiten, die sich für den Schutz älterer, hilfsbedürftiger Personen einsetzen und dazu beitragen, dass Menschenrechte und Medizinethik im Gesundheitswesen stärker berücksichtigt werden.

© DIMR/P. Hahn
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Audio-Mitschnitt: Beate Rudolf spricht bei der Veranstaltung Digitalisierung in der Pflege

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