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Chancenaufenthaltsrecht: Guter Ansatz, Nachbesserungen bei Regelung für langjährig Geduldete nötig

© pixelio.de/Rainer Sturm

· Pressemitteilung

Berlin. Anlässlich der heutigen Sachverständigenanhörung im Innenausschuss zu zwei Gesetzespaketen im Bereich des Asyl- und Aufenthaltsrechts erklärt das Deutsche Institut für Menschenrechte:

„Zum Stichtag 30. Juli 2022 lebten 247.290 Menschen mit einer Duldung in Deutschland, davon 136.868 seit mehr als fünf Jahren. Der prekäre Duldungsstatus soll eigentlich nur erteilt werden, wenn die Abschiebung einer ausreisepflichtigen Person vorübergehend nicht durchgesetzt werden kann. In der Praxis verbleiben jedoch viele Menschen und Familien Jahre oder Jahrzehnte in diesem Schwebezustand, da der Übergang in bereits existierende Bleiberegelungen mit hohen Hürden verbunden ist.

Das Institut begrüßt die Zielsetzung des Gesetzentwurfs zur Einführung eines Chancenaufenthaltsrechts, langjährig Geduldeten eine Aufenthaltsperspektive zu eröffnen und ihnen eine Brücke in bestehende Bleiberechte zu bauen. Die vorliegende Regelung wird jedoch noch nicht den von der Bundesregierung angestrebten Paradigmenwechsel mit sich bringen und die Zahl der Geduldeten langfristig verringern.

Die Regelung sollte stichtagsunabhängig sein und unbefristet gelten. Das einjährige Chancenaufenthaltsrecht sollte zudem verlängerbar sein, um begonnene Bemühungen bei der Arbeitsmarktintegration und der Identitätsklärung durch einen Rückfall in die Duldung nicht zu konterkarieren. Die Strafbarkeitsschwelle, die zu einer Versagung des Aufenthaltstitels führt, ist deutlich niedriger als bei den bereits bestehenden Bleiberechten. Eine Angleichung wäre hier vertretbar und sinnvoll.

Die im selben Gesetzentwurf anvisierte Verschärfung bei der Ausweisung international Schutzberechtigter widerspricht dem besonderen flüchtlings- und europarechtlichen Schutzregime, das nicht unterminiert werden darf. Dieser Passus sollte daher gestrichen werden. Auch die vorgesehene Ausweitung der Abschiebungshaft sollte entfallen. Denn die Inhaftnahme zur Durchführung der Abschiebung stellt einen gravierenden Eingriff in die verfassungs- und menschenrechtlich geschützte Freiheit der Person dar und unterliegt einer strengen Verhältnismäßigkeitsprüfung. Sie ist als letztes Mittel anzusehen und nicht stetig auszuweiten. 

Der ebenfalls im Innenausschuss zur Beratung liegende Gesetzentwurf zur Beschleunigung der Asylgerichtsverfahren und Asylverfahren beschneidet einseitig die Verfahrensrechte der Asylantragsteller*innen. Anstatt diese komplexe Rechtsmaterie unter erheblichem Zeitdruck durch das Gesetzgebungsverfahren zu bringen, sollte der Gesetzgeber die heutige Sachverständigenanhörung zum Anlass nehmen, die angestrebten Regelungen zur weiteren Verschärfung des Asylrechts grundlegend zu hinterfragen.“

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