Geschlechtsspezifische Gewalt ist eine weit verbreitete Menschenrechtsverletzung in Deutschland
Berlin. Frauen besser vor Gewalt zu schützen - das ist das Ziel der Istanbul-Konvention, die seit dem 1. Februar 2018 in Deutschland geltendes Recht ist.
„Die Istanbul-Konvention ist das zentrale, europaweit geltende Instrument im Kampf gegen Gewalt gegen Frauen und häusliche Gewalt“, erklärt Beate Rudolf, Direktorin des Deutschen Instituts für Menschenrechte: „Solche geschlechtsspezifische Gewalt ist auch hierzulande eine weit verbreitete Menschenrechtsverletzung – jede dritte Frau in Deutschland hat sie mindestens einmal in ihrem Leben erlebt, 20 Prozent der trans Frauen sogar in den vergangenen fünf Jahren. Frauen mit Behinderungen erleben in ihrem Leben fast doppelt so häufig körperliche Gewalt und nahezu zwei- bis dreimal häufiger sexualisierte Gewalt als der weibliche Bevölkerungsdurchschnitt. Geschlechtsspezifische Gewalt zu bekämpfen, muss deshalb zentrales Anliegen aller Staatsorgane in Bund und Ländern sein. Dazu verpflichtet sie die Istanbul-Konvention“, so Rudolf weiter. „Nur wenn Frauen wirksam vor Gewalt geschützt sind, können sie sich frei entfalten und gleichberechtigt an der Gesellschaft teilhaben.“
„Seit der Ratifikation hat Deutschland verschiedene Schritte zur Umsetzung seiner Verpflichtungen aus der Konvention unternommen. Hieran hatten zivilgesellschaftliche Organisationen einen wesentlichen Anteil. Dennoch hat der Sachverständigenausschuss des Europarats, GREVIO, im vergangenen Jahr umfangreichen Verbesserungsbedarf konstatiert und eine staatliche Koordinierungsstelle sowie eine langfristige, umfassende Strategie empfohlen. Zentrale Herausforderung bleibt die langfristige Sicherung von Beratungs- und Unterstützungsstrukturen in Stadt und Land und für Frauen in ihrer Vielfalt – etwa für Frauen mit Behinderungen oder Frauen mit behinderten Kindern oder älteren Söhnen“, betont die Direktorin des Menschenrechtsinstituts.
„Ab dem 1. Februar gilt der Schutz der Konvention endlich auch umfassend für Migrantinnen, die von geschlechtsspezifischer Gewalt betroffen sind, denn die Bundesregierung hat die bisherigen Vorbehalte nicht verlängert. Das begrüßen wir ausdrücklich“, so Rudolf weiter. Die Verbesserung betreffe den Schutz von Gewaltbetroffenen vor Ausweisung und ihre Sicherheit als Zeuginnen in Strafverfahren. „Deutschland muss also jetzt zügig sein Recht daran anpassen.“
Nach Art. 59 Abs. 2 Istanbul-Konvention müssen die Vertragsstaaten sicherstellen, dass Betroffene von geschlechtsspezifischer Gewalt, denen aufgrund eines Ausweisungs- beziehungsweise Abschiebeverfahrens gegen ihre Ehepartner der Verlust des Aufenthaltsrechts droht, die Aussetzung ihrer Abschiebung erwirken können. Nach Art. 59 Abs. 3 der Konvention sollen Gewaltbetroffene einen verlängerbaren Aufenthaltstitel erhalten, wenn der Aufenthalt auf Grund ihrer persönlichen Situation oder zur Mitwirkung in einem Ermittlungs- oder Strafverfahren erforderlich ist.
Als Berichterstattungsstelle geschlechtsspezifische Gewalt wird das Deutsche Institut für Menschenrechte das Phänomen der geschlechtsspezifischen Gewalt daten- und evidenzbasiert beobachten und die staatlichen Maßnahmen zum Schutz der Frauen und Mädchen kontinuierlich und systematisch erfassen sowie – wo nötig – Verbesserungsvorschläge entwickeln.
Hintergrund
Das Übereinkommen des Europarats zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt, die sogenannte Istanbul-Konvention des Europarats, schützt Frauen und Mädchen vor jeglicher Form von Gewalt. Mit dem Inkrafttreten der Istanbul-Konvention am 1. Februar 2018 hat sich Deutschland verpflichtet, dem Europarat über die gesetzgeberischen und sonstigen Maßnahmen zur Umsetzung des Übereinkommens regelmäßig zu berichten. Die unabhängige Gruppe von Expertinnen und Experten (Group of Experts on Action against Violence against Women and Domestic Violence, GREVIO) veröffentlichte ihren ersten Evaluationsbericht zur Einhaltung der Verpflichtungen aus dem Übereinkommen im September 2022.
Das Deutsche Institut für Menschenrechteist vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) mit dem unabhängigen Monitoring (Berichterstattung) der Umsetzung der Istanbul-Konvention des Europarates in Deutschland betraut worden und hat hierfür die Berichterstattungsstelle geschlechtsspezifische Gewalt eingerichtet.
Der Jahresbericht gibt einen Überblick über die Arbeitsschwerpunkte des Instituts im Jahr 2023, informiert über seine Aufgaben, gibt einen Überblick über Zahlen, Projekte, Veranstaltungen, Publikationen und enthält Informationen über Service-Angebote.
Darin…
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