Dass unternehmerische Tätigkeiten (potenziell) negative Auswirkungen auf die Menschen- und Umweltrechte entlang globaler Lieferketten haben, ist weithin bekannt. Das Business & Human Rights Resource Centre (BHRRC) verfügt über eine umfassende Fallsammlung zu unternehmensbezogenen Auswirkungen auf die Rechte von Betroffenen, die meist von Journalist*innen oder zivilgesellschaftlichen Akteuren in Partnerländern gemeldet werden und auf die Unternehmen reagieren (können).
Von der Datensystematisierung zur Global Heat Map
Das Business & Human Rights Resource Centre hat dem Deutschen Institut für Menschenrechte Zugriff auf seine umfassende Datenbank gegeben; ein Datenanalyst nahm die Systematisierung von circa 15.000 Einzelfällen vor und entwickelte die nun vorliegende Global Heat Map zu mutmaßlichen Verstößen gegen Menschen- und Umweltrechte durch Unternehmen. Diese soll Forschenden und Expert*innen im Bereich Wirtschaft und Menschenrechte ermöglichen, systematisch mit den bereitgestellten Daten zu arbeiten und damit das Wissen über mutmaßlich negative unternehmerische Auswirkungen auf Betroffene zu erweitern.
Die Heat Map veranschaulicht globale Trends von mutmaßlichen Menschenrechts- und Umweltverstößen, die zwischen 2017 und 2022 durch das BHRRC erfasst wurden. Dabei können die Nutzer*innen nach verschiedenen Kategorien filtern wie beispielsweise der Art des mutmaßlichen Verstoßes, dem Wirtschaftssektor oder dem Land, in dem der mutmaßliche Verstoß stattgefunden hat.
Die Heat Map ist besonders interessant, wenn man längere Zeiträume betrachtet und Entwicklungen zwischen verschiedenen Jahren vergleicht. So zeigt die Heat Map beispielweise, dass mit Ausnahme des Jahres 2018 die Zahl der mutmaßlichen Verstöße durch Unternehmen weltweit seit 2017 stetig gestiegen sind – mit einem steilen Anstieg von 2020 auf 2021.
Grenzen der Aussagekraft
Die Heat Map hat technische Einschränkungen. Ein Eintrag kann aufgrund unterschiedlicher Dimensionen des mutmaßlichen Verstoßes mehrfach aufgeführt sein: Ein mutmaßlicher Verstoß kann sich zum Beispiel auf Landrechte und die Rechte indigener Völker sowie auf mehrere Akteure (Unternehmen 1, Unternehmen 2) beziehen.
Die Heat Map ermöglicht es nach Ländern zu filtern in denen ein mutmaßlicher Verstoß stattgefunden hat. Zudem gibt es eine spezifisch erstellte Filterfunktion (EU27) um nach mutmaßlichen Verstößen durch Unternehmen mit Hauptsitz in den 27 EU-Mitgliedsstaaten zu filtern.
Zudem enthält die Heat Map keine absoluten Zahlen zu mutmaßlichen Menschenrechts- und Umweltverstößen, da das BHRRC öffentlich gemeldete Informationen sammelt. Außerdem bedeutet ein Anstieg der Zahl der mutmaßlichen Verstöße im Laufe der Zeit nicht unbedingt, dass tatsächlich mehr Missbrauch stattgefunden hat. Die Zahl der mutmaßlichen Verstöße kann auch aus einer Reihe anderer Gründe gestiegen sein, zum Beispiel weil die betroffenen Rechteinhabenden die bestehenden Beschwerdewege besser kennen und deshalb mehr Verstöße melden.
Aus diesem Grund richtet sich die Heat Map derzeit an Forschende und Expert*innen aus dem Bereich Wirtschaft und Menschenrechte, die die methodischen Schwierigkeiten beherrschen.
Eingeschränkte Nutzbarkeit
Die Heat Map bietet vielversprechende Funktionen zur Systematisierung und Visualisierung von Daten im Bereich Wirtschaft und Menschenrechte, jedoch müssen einige technische Einschränkungen berücksichtig werden.
Die Nutzung der Heat Map ist kostenfrei. Jedoch benötigen die Nutzer*innen für die Anmeldung zur Heat Map einen Google Account.
Bei der Heat Map handelt es sich aktuell um eine Beta-Version. Die Funktionalität der Heat Map befindet sich daher noch in der Entwicklung und soll mithilfe des Feedbacks der Nutzer*innen kontinuierlich verbessert werden. Zu diesem Zweck werden bei der Anmeldung zur Heat Map anonymisierte Nutzer*innenstatistiken gesammelt.
Eine weitere Einschränkung ist die fehlende Barrierefreiheit. Die Heat Map erfüllt nicht die Standards für barrierefreie Webanwendungen. Dies bedeutet, dass Nutzer*innen mit eingeschränkter Seefähigkeit oder einer Sehbehinderung Schwierigkeiten haben könnten, die Heat Map effektiv zu nutzen.