73. Die Vertragsstaaten sollten angesichts des erläuterten normativen Inhalts und der erläuterten Verpflichtungen folgende Schritte unternehmen, um die vollständige Umsetzung des Artikels 5 des Übereinkommens zu gewährleisten:
(a) Durchführung von Studien zur Anpassung der nationalen Gesetzgebung und Praktiken an das Übereinkommen und Aufhebung diskriminierender Gesetze und Regelungen, die nicht im Einklang mit dem Übereinkommen stehen sowie Änderung oder Abschaffung von Gewohnheiten und Praktiken, die Menschen mit Behinderungen diskriminieren;
(b) soweit noch nicht vorhanden, Ausarbeitung von Antidiskriminierungs-Gesetzen sowie Verabschiedung von Antidiskriminierungs-Gesetzen, die Behinderungen umfassen und einen breiten persönlichen und materiellen Anwendungsbereich haben und wirksame Rechtsbehelfe bieten. Solche Gesetze können nur wirksam sein, wenn sie auf einer Definition von Behinderung beruhen, die Personen umfasst, die langfristige körperliche Beeinträchtigungen haben, einschließlich psychosozialer, geistiger oder sensorischer Beeinträchtigungen, und sie sollten auch frühere, gegenwärtige, zukünftige und angenommene Behinderungen sowie die Bezugspersonen von Menschen mit Behinderungen umfassen. Personen, die Opfer von Diskriminierung aufgrund von Behinderung geworden sind und Rechtsschutz suchen, sollten nicht beweisen müssen, dass sie „behindert genug“ sind, um in den Genuss der rechtlichen Schutzbestimmungen zu kommen. Antidiskriminierungs-Gesetze, die behinderungsinklusiv sind, zielen darauf ab, eine diskriminierende Handlung zu verbieten und ihr vorzubeugen, anstatt auf eine definierte geschützte Gruppe abzustellen. In dieser Hinsicht steht eine breite, beeinträchtigungsbezogene Definition von Behinderung in Einklang mit dem Übereinkommen;
(c) Gewährleistung, dass Antidiskriminierungs-Gesetzgebung sich auf den privaten und öffentlichen Sektor erstreckt, Bereiche wie Bildung, Beschäftigung, Güter und Dienstleistungen abdeckt sowie behinderungsspezifische Diskriminierung beinhaltet, wie z. B. segregierende Bildung, Unterbringung in Einrichtungen, Versagung oder Einschränkung der rechtlichen Handlungsfähigkeit, erzwungene psychiatrische Behandlung, Versagung von Anleitung in Gebärdensprache sowie professioneller Gebärdensprachverdolmetschung sowie Versagung von Braille-Schrift oder anderer ergänzender und alternativer Formen, Mittel und Formate der Kommunikation;
(d) Förderung der vollständigen Inklusion in den Bereichen allgemeine berufliche und berufsbildende Angebote, einschließlich Angebote zur Förderung der Selbstständigkeit und zur Gründung von Genossenschaften und anderer Formen der Sozialwirtschaft;
(e) Gewährleistung, dass die Standards hinsichtlich des Schutzes vor Diskriminierung für Menschen mit Behinderungen genauso hoch sind wie für andere gesellschaftliche Gruppen;
(f) Entwicklung und Umsetzung von Programmen zur Aufklärung und zum Kapazitätsaufbau, darunter Schulungen bei staatlichen Stellen und in der informellen Wirtschaft, um die Einhaltung des Übereinkommens zu gewährleisten. Aufklärung und Kapazitätsaufbau sollten unter maßgeblicher Partizipation von Menschen mit Behinderungen und Organisationen geplant und umgesetzt werden, die die große Bandbreite an Menschen mit Behinderungen vertreten, und die entscheidend für die Schaffung einer Kultur von Toleranz und Vielfalt sind, die wiederum Grundlage von Antidiskriminierungs-Gesetzen und Maßnahmen ist;
(g) Überwachung der Zahl der Diskriminierungsklagen aufgrund von Behinderungen im Verhältnis zur Gesamtzahl der Diskriminierungsklagen, aufgeschlüsselt nach Geschlecht, Alter, identifizierter Barrieren und dem Bereich, in dem der Diskriminierungsvorwurf sich ereignete, sowie Bereitstellung von Informationen zu den Fällen mit einer außergerichtlichen, gerichtlichen oder offiziellen Einigung und der Anzahl von Urteilen, die eine Entschädigung oder Sanktionen beinhalteten;
(h) Schaffung zugänglicher und wirksamer Entschädigungsmechanismen und die Gewährleistung, dass Opfer von Diskriminierung aufgrund von Behinderung gleichberechtigten Zugangs zur Justiz haben. Dies beinhaltet den Zugang aller Menschen mit Behinderungen zu wirksamen gerichtlichen bzw. verwaltungsrechtlichen Verfahren, einschließlich wirksamer und zugänglicher Beschwerdemechanismen und die Einstellung von finanziellen Mitteln für qualitativ hochwertige Prozesskostenhilfe, die gegebenenfalls in Verbindung mit einer gesetzlichen Bedürftigkeits- und Begründetheitsprüfung in Anspruch genommen werden kann. Die Vertragsstaaten sollten bei Handlungen oder Unterlassungen öffentlicher und privater Akteure, die gegen das Recht auf Gleichberechtigung und Nichtdiskriminierung einzelner Menschen oder Gruppen von Menschen mit Behinderungen verstoßen, wirksam und schnell intervenieren, sowohl in Bezug auf bürgerliche und politische Rechte als auch in Bezug auf wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte. Die Anerkennung gerichtlicher Abhilfe kollektiver Natur oder von Sammelklagen kann einen wesentlichen Beitrag dazu leisten, für Situationen, die Gruppen von Menschen mit Behinderungen betreffen, wirksam Zugang zur Justiz zu garantieren.
(i) Ausweitung von nationalen Antidiskriminierungs-Gesetzen auf den Schutz von Einzelpersonen vor nachteiliger Behandlung oder negativen Folgen, die infolge von Beschwerden oder Verfahren auftreten, die darauf ausgerichtet sind, die Einhaltung von Gleichberechtigungsbestimmungen durchzusetzen. Durch Antidiskriminierungs-Gesetze sollte auch sichergestellt werden, dass Opfer von Diskriminierung bei der Erwirkung von Entschädigung nicht ungebührlich behindert werden oder erneut zu Opfern werden. Insbesondere sollten die Verfahrensregeln in zivilrechtlichen Fällen, in denen Tatsachen vorliegen, die einen Rückschluss auf Diskriminierung zulassen, die Beweislast von der Antragstellerin oder dem Antragsteller auf die Beklagte oder den Beklagten verlagern.
(j) Etablierung nationaler Menschenrechtsinstitutionen und anderer relevanter Akteure, wie z. B. Gleichstellungsgremien, sowie einer Gleichberechtigungspolitik und einer zugänglichen Strategie, die alle Menschen mit Behinderungen einbezieht, in enger Konsultation mit Organisationen von Menschen mit Behinderungen;
(k) Verstärkte Aufklärung aller Teiler der Gesellschaft, einschließlich Staatsbediensteter aller Gewalten und des Privatsektors, über den Anwendungsbereich, die Inhalte und die praktischen Konsequenzen der Rechte aller Menschen mit Behinderungen auf Nichtdiskriminierung und Gleichberechtigung;
(l) Annahme geeigneter Maßnahmen, um inklusive Gleichberechtigung einer regelmäßigen und umfassenden Überwachung zu unterziehen. Hierzu gehört die Sammlung und Analyse aufgeschlüsselter Daten zur Situation von Menschen mit Behinderungen;
(m) Gewährleistung, dass die in Artikel 33 des Übereinkommens festgeschriebenen nationalen Monitoring-Mechanismen unabhängig sind, Organisationen von Menschen mit Behinderungen wirksam einbeziehen und ausreichend ausgestattet sind, um gegen Diskriminierung von Menschen mit Behinderungen vorzugehen;
(n) Bereitstellung konkreter Schutzvorkehrungen und Wahrnehmung der Sorgfaltspflicht, um gewaltsame Vorfälle, Ausbeutung und Missbrauch sowie Verletzungen der körperlichen Unversehrtheit, die ausschließlich oder unverhältnismäßig oft Menschen mit Behinderungen betreffen, zu verhindern und wiedergutzumachen;
(o) Annahme konkreter Maßnahmen mit dem Ziel, insbesondere für Menschen mit Behinderungen, die mit intersektionaler Diskriminierung konfrontiert sind, darunter Frauen, Mädchen, Kinder, ältere Menschen und indigene Menschen mit Behinderungen, inklusive Gleichberechtigung herbeizuführen;
(p) Vertragsstaaten, die eine hohe Anzahl an Asylsuchenden, Geflüchteten oder Migrantinnen und Migranten aufnehmen, sollten formale, rechtlich definierte Verfahren einführen, um zu gewährleisten, dass Aufnahmeeinrichtungen und andere Umfelder für Menschen mit Behinderungen zugänglich sind, einschließlich Frauen und Kinder mit Behinderungen und Personen mit psychosozialen und geistigen Behinderungen. Die Vertragsstaaten müssen gewährleisten, dass für Menschen mit Behinderungen psychosoziale Beratung und Rechtsberatung, Unterstützung und Rehabilitation bereitgestellt wird und dass Schutzangebote behinderungs-, alters-, geschlechts- und kultursensibel sind.