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Lagebild Häusliche Gewalt: Prävention, Intervention, Schutz und Strafverfolgung müssen gestärkt werden

Müşerref Tanrıverdi, Leiterin der Berichterstattungsstelle geschlechtsspezifische Gewalt des Deutschen Instituts für Menschenrechte © DIMR/B. Dietl

· Pressemitteilung

Berlin. Das Deutsche Institut für Menschenrechte fordert nach der Veröffentlichung des erstmalig vom Bundeskriminalamt (BKA) erstellten „Lagebilds Häusliche Gewalt“ die Politik zu raschem Handeln auf. „Das ‚Lagebild Häusliche Gewalt‘, zeigt, dass Bund und Länder die Umsetzung der Istanbul-Konvention zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt jetzt mit aller Kraft vorantreiben müssen“, erklärt Müşerref Tanrıverdi, Leiterin der Berichterstattungsstelle geschlechtsspezifische Gewalt des Instituts, anlässlich der Veröffentlichung. Die Fallzahlen seien um 8,5 Prozent zum Vorjahr 2021 angestiegen. „Eine Stärkung von Prävention, Intervention, Schutz und Strafverfolgung ist dringend nötig“, so Tanrıverdi. „Insbesondere sollten Betroffene von Gewalt keine Scham und Angst empfinden müssen, Täter und Täterinnen anzuzeigen.“

Das „Lagebild Häusliche Gewalt” beinhaltet im Vergleich zu der seit 2016 jährlich erschienenen kriminalstatistischen Auswertung zu Partnerschaftsgewalt nun auch innerfamiliäre Gewalt.

Auch die Empfehlungen der Expert*innengruppe GREVIO des Europarats, die für die Überwachung des Übereinkommens zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt (Istanbul-Konvention) zuständig ist, müssten rasch umgesetzt werden. GREVIO hatte in ihrem ersten Evaluationsbericht zu Deutschland von Oktober 2022 auf Defizite der landesweiten Koordinierung der Maßnahmen zur Verhütung und Bekämpfung sämtlicher Formen geschlechtsspezifischer Gewalt sowie auch auf den Mangel an Schutzräumen für Betroffene von häuslicher Gewalt verwiesen. Zudem stellte GREVIO für bestimmte Gruppen von Betroffenen erhebliche Hürden beim Zugang zu Schutz- und Beratungsstrukturen fest, etwa für Frauen mit Behinderungen oder geflüchtete Frauen, die überproportional oft von geschlechtsspezifischer Gewalt betroffen sind.

„Zur Vorbeugung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt brauchen wir eine evidenzbasierte Datengrundlage, die eine vollständige Erfassung von geschlechtsspezifischer Gewalt und häuslicher Gewalt ermöglicht“, betont Tanrıverdi. Die Zahlen der für 2025 von der Bundesregierung angekündigten Dunkelfeldstudie „LeSuBiA - Lebenssituation, Sicherheit und Belastung im Alltag” zur Gewaltbetroffenheit von Frauen und Männern in Deutschland seien hier ein wichtiger Baustein.

Nach Angaben des Bundeskriminalamts wurden 2022 jeden Tag über 650 Menschen in Deutschland Opfer von häuslicher Gewalt. Insgesamt wurden 2022 240.547 Fälle häuslicher Gewalt gezählt, 2021 waren es noch 221.615. Das bedeutet einen Anstieg der Fallzahlen um 8,5 Prozent zum Vorjahr. 71,1 Prozent der Opfer waren laut BKA weiblich, 76,3 Prozent der tatverdächtigen Personen waren männlich. Im Bereich Partnerschaftsgewalt stiegen die Fallzahlen sogar um 9,4 Prozent. 80,1 Prozent der Opfer von Partnerschaftsgewalt waren Frauen, 78,3 Prozent der Tatverdächtigen Männer. Rund 60 Prozent der Tatverdächtigen waren aktuelle Partner*innen, rund 40 Prozent ehemalige Partner*innen.  

Es ist unklar, inwiefern der Anstieg der Zahlen auch eine höhere Meldebereitschaft bei den Betroffenen abbildet. Daher ist es wichtig, auch nicht gemeldete Fälle zu betrachten. Sichtbar werden solche Fälle durch Umfragen zu Gewaltbetroffenheit im Rahmen von Dunkelfeldstudien wie LeSuBiA.  

Berichterstattungsstelle geschlechtsspezifische Gewalt

Das Deutsche Institut für Menschenrechte ist vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend mit dem unabhängigen Monitoring (Berichterstattung) der Umsetzung der Istanbul-Konvention des Europarates in Deutschland betraut worden und hat hierfür ab November 2022 eine Berichterstattungsstelle eingerichtet.

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