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Buchempfehlung Das Recht auf Wiedergutmachung – Eine Betrachtung aus verschiedenen Perspektiven

Der Band untersucht anhand historischer Beispiele Deutschlands Umgang mit Menschrechtsverletzungen. © Nomos Verlag

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Wiedergutmachung ist ein zentraler Bestandteil der Diskussion um Menschenrechte und hat in Deutschland eine bewegte Geschichte. Die Frage nach ihr wird gestellt, wenn die Rechte von Menschengruppen systematisch verletzt worden sind und die Betroffenen nach staatlicher Abhilfe, Entschädigung und gesellschaftlicher Anerkennung verlangen.

Grundlegendes Menschenrecht und steiniger Weg in der Praxis

Wiedergutmachung ist als Menschenrecht in verschiedenen internationalen Abkommen verankert, die auch Deutschland ratifiziert hat. So betont etwa der Zivilpakt (ICCPR), „dass jeder, der in seinen […] Rechten oder Freiheiten verletzt worden ist, das Recht hat, eine wirksame Beschwerde einzulegen“ (Artikel 2, Absatz 3).

Doch auch wenn das Recht auf Wiedergutmachung juristisch einzufordern ist, gestaltet sich die Umsetzung in der Praxis für die Betroffenen kräftezehrend. Oft müssen sie jahrelang für ihre Anerkennung und Entschädigung kämpfen und viele Faktoren erschweren die Umsetzung wie zum Beispiel mangelnde Beweislage oder die Verjährung von Ansprüchen.

Ein Buch, viele Stimmen – um zu verstehen

In „Das Recht auf Wiedergutmachung“ hat der Herausgeber Valentin Aichele Beiträge von Autor*innen versammelt, die anhand zahlreicher geschichtlicher Ereignisse die Entwicklung des Rechts auf Wiedergutmachung in Deutschland aufzeigen. Sie alle fragen: Was war geschehen? Wie kam es zum Prozess der Aufarbeitung? Welchen Umgang hat der deutsche Staat gefunden? Was sagen die Verletzten?

Eine Ressource nicht nur für Expert*innen

Der Sammelband bietet einen vielschichtigen Einblick in ein Thema, das uns alle betrifft. Es richtet sich nicht nur an Expert*innen zu Menschenrechtsfragen und Rechtswissenschaftler*innen, sondern an alle, die sich für die Bedeutung und Leistung von Wiedergutmachung interessieren. Es schafft ein breiteres Verständnis und zeigt, dass es keine einfachen Antworten auf die Fragen der Wiedergutmachung gibt, sondern eine kontinuierliche und kritische Auseinandersetzung gefragt ist.

Die Beiträge

Vor 1933

  • Wolfgang Kaleck: Zwischen kolonialer Amnesie und Aufarbeitung deutscher und europäischer Kolonialverbrechen: Der Völkermord an Herero, Nama und anderen Namibier*innen in Deutsch-Südwestafrika 1904 bis 1908

1933 - 1945

  • Wolfgang Benz: Entschädigung jüdischer Opfer des Nationalsozialismus
  • Margret Hamm: Zwangssterilisierte und „Euthanasie“-Geschädigte und ihr langer Weg zur gesellschaftlichen und unvollständigen politischen Rehabilitation
  • Uta Gerlant: Die Entschädigung von NS-Zwangsarbeit

1945 - 1949

  • Johannes Weberling / Natalie Kowalczyk: Politische Verfolgung in der SBZ in den Jahren 1945 bis 1949 und die Entschädigung politischer Haft insbesondere auf Basis des Häftlingshilfegesetzes (HHG)

1949 - 1990 (DDR)

  • Birgit Neumann-Becker: Strafrechtliche Rehabilitierung, Anerkennung und Entschädigung der Opfer der politischen Strafjustiz in der DDR
  • Angelika Censebrunn-Benz: Kindheit im Heim – Funktionieren um jeden Preis
  • Giselher Spitzer: Entschädigung für Doping-Opfer (DDR) – eine Wiedergutmachung?

1949 - 1990 (BRD)

  • Manfred Kappeler: Die Missachtung der Menschenwürde von Kindern und Jugendlichen und die Verletzung ihrer Grund- und Menschenrechte in der bundesrepublikanischen Heimerziehung der 1940er bis 1970er Jahre
  • Sylvia Wagner: Heimkinder (West): Arzneimittelprüfungen 1949–1975
  • Georg Härpfer / Marcus Velke-Schmidt: Eine einmalige Angelegenheit? Rehabilitierung und Entschädigung der Betroffenen strafrechtlicher Verfolgung gleichgeschlechtlicher sexueller Handlungen nach 1945 in Bundesrepublik Deutschland und Deutscher Demokratischer Republik

Nach 1990

  • Ulrich Karpenstein: Entschädigung von Kriegsopfern
  • Sabine Andresen: Sexuelle Gewalt in Kindheit und Jugend. Gesellschaftliche Aufarbeitung, generationale Ordnung und „Wiedergutmachung“                                                                                                                                      

Zum Herausgeber

Prof. Dr. Valentin Aichele lehrt aktuell an der Hochschule des Bundes für öffentliche Verwaltung.
Von 2009-2020 war er Leiter der Monitoring-Stelle UN-Behindertenrechtskonvention des Deutschen Instituts für Menschenrechte. Er forscht zu den Schwerpunkten Menschenrechte, insbesondere soziale Menschenrechte, Recht und Politik der Entschädigung, Armut, Inklusion und Schutz vor Diskriminierug.

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