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„Der Rechtsstaat kann keine Beamt*innen dulden, die rassistische Positionen vertreten“

© DIMR/A. Illing

· Meldung

Interview mit Hendrik Cremer zur Entscheidung des Verwaltungsgerichts Köln zur Einstufung der AfD durch den Verfassungsschutz

Das Deutsche Institut für Menschenrechte beschäftigt sich schon seit einigen Jahren mit Programmatik und Strategie der AfD sowie Positionen von AfD-Führungspersonen und Mandatsträger*innen und hat in diesem Zusammenhang mehrere Publikationen veröffentlicht. Das Institut erläutert darin, warum die AfD als rassistische und rechtsextreme Partei einzuordnen und warum ein Eintreten für die AfD mit der verfassungsrechtlichen Treuepflicht von Beamt*innen unvereinbar ist.

Hendrik Cremer, Wissenschaftlicher Mitarbeiter des Instituts, ordnet in diesem Zusammenhang die Entscheidung des VG Köln ein.

Das Institut vertritt die Position, dass die AfD nicht auf dem Boden des Grundgesetzes steht. Welche Bedeutung hat die Entscheidung des VG Köln in diesem Zusammenhang?

Hendrik Cremer: Die Entscheidung ist in jedem Fall sehr wichtig für die Aufklärungs- und Bildungsarbeit zur AfD. Sie kann dazu beitragen, dass sich gesamtgesellschaftlich und in der öffentlichen Meinung die Erkenntnis durchsetzt, dass die Partei insgesamt als rassistisch und rechtsextrem einzuordnen ist. Bisher wird in den Diskussionen zur AfD oftmals die Partei zwar in Teilen, nicht aber in ihrer Gesamtheit als rassistisch und rechtsextrem eingestuft. Hierbei wird außer Acht gelassen, dass die Programmatik der Partei durch eine national-völkische und damit rechtsextreme Ausrichtung gekennzeichnet ist. Die AfD wendet sich programmatisch gegen die in Artikel 1 Absatz 1 Grundgesetz (GG) verankerte Garantie der Menschenwürde eines jeden Menschen. Bei dieser Garantie handelt es sich um den absoluten Kern der Verfassungsordnung.

Deckt sich die Entscheidung des VG Köln also mit den Ausführungen des Instituts?

Cremer: Die Entscheidung des VG Köln, die in ihrer schriftlichen Begründung noch nicht vorliegt, stützt unsere Ausführungen, wonach es sich bei der AfD um eine rassistische und rechtrechtextreme Partei handelt, die nicht auf dem Boden des Grundgesetzes steht. Allerdings ist der rechtliche Maßstab der Verfassungsschutzgesetze ein anderer als der Maßstab, den das Institut bei seinen Untersuchungen angelegt hat. Das VG Köln hat geprüft, ob nach den Maßstäben des Bundesverfassungsschutzgesetzes die Voraussetzungen für einen Verdachtsfall für eine rechtsextremistische Bestrebung und damit für die Beobachtung der AfD durch den Verfassungsschutz vorliegen. Für die Einstufung als extremistische Bestrebung muss eine Partei nicht nur rassistische und rechtsextreme Positionen vertreten und sich damit gegen die in Artikel 1 Absatz 1 GG verankerte Garantie der Menschenwürde eines jeden Menschen wenden. Sie muss darüber hinaus auch darauf gerichtet sein, zentrale Verfassungsgrundsätze wie die in Artikel 1 Absatz 1 GG verankerte Garantie durch politisch bestimmte, ziel- und zweckgerichtete Verhaltensweisen zu beseitigen oder außer Geltung zu setzen. Das VG Köln ist insofern zu dem Ergebnis gekommen, dass ausreichende tatsächliche Anhaltspunkte für verfassungsfeindliche Bestrebungen innerhalb der AfD vorliegen, um sie als Verdachtsfall einzustufen.

Sie haben kürzlich eine Publikation veröffentlicht, in der es um disziplinarrechtliche Maßnahmen gegenüber Beamt*innen geht, die für die AfD eintreten. Hat die Einstufung der Partei als Verdachtsfall nun Folgen?

Cremer: Für disziplinarrechtliche Verfahren ist es aus rechtlicher Perspektive nicht entscheidend, wie die Partei nach den Maßstäben der Verfassungsschutzgesetze einzuordnen ist. Die Beurteilung einer Partei durch den Verfassungsschutz kann allerdings zur Begründung disziplinarrechtlicher Maßnahmen herangezogen werden. Maßgeblich im Rahmen des Disziplinarrechts ist die Frage, ob Beamt*innen als Garanten des Rechtsstaates ihrer verfassungsrechtlichen Treuepflicht nachkommen, und durch ihr gesamtes Verhalten, dienstlich und außerdienstlich, für die freiheitliche demokratische Grundordnung eintreten. Das Institut hat in seiner Publikation „Rassistische und rechtextreme Positionierungen im Dienste des Staates?“ verdeutlicht, warum Beamt*innen gegen ihre verfassungsrechtliche Treuepflicht verstoßen, wenn sie für die AfD eintreten, indem sie die rassistischen und rechtsextremen Positionen der Partei unterstützen. Aus der verfassungsrechtlichen Treuepflicht, die ebenso für Richter*innen und Soldat*innen gilt, resultiert auch die Pflicht, sich grundsätzlich von rassistischen und rechtsextremen Positionen abzugrenzen. Überdies kommt im Fall der AfD hinzu, dass Führungspersonen und Mandatsträger*innen der Partei auch Gewalt als legitimes Mittel zur Durchsetzung ihrer Ziele propagieren.

Können Beamt*innen, Richter*innen oder Soldat*innen nun einfacher entlassen werden?

Cremer: Nach der Entscheidung des VG Köln kann erwartet werden, dass vermehrt Disziplinarverfahren gegenüber Beamt*innen, Richter*innen oder Soldat*innen erwogen werden, die für die AfD eintreten. Wir haben in unserer aktuellen Publikation ausgeführt, warum solche Verfahren geboten sind. Denn der Rechtsstaat kann in seinen eigenen Reihen keine Personen dulden, die erkennbar rassistische und rechtsextreme Positionen vertreten. Andernfalls wird der Rechtsstaat schleichend ausgehöhlt. Wird offenbar, dass eine verbeamtete Person Mitglied in der AfD ist, sind demzufolge disziplinarrechtliche Maßnahmen einzuleiten. Allerdings muss im Disziplinarverfahren immer eine Einzelfallprüfung erfolgen, die auch zu einer Entlastung führen kann. Eine Entlastung der jeweiligen Person wäre insbesondere dann denkbar, wenn sie darlegen kann, dass sie sich unmissverständlich und aktiv für eine Korrektur in der Programmatik der AfD einsetzt, die die in Artikel 1 Absatz 1 Grundgesetz verankerte Garantie der Menschenwürde eines jeden Menschen beachtet.

(B. Hildebrand)

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