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Rechtsextremismus im Justizwesen muss stärker thematisiert werden

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Lesung und Diskussion mit Heike Kleffner, Matthias Meisner, Jost Müller-Neuhof und Kristin Pietrzyk am 12. Dezember in der Institutsbibliothek

Heike Kleffner und Matthias Meisner, Herausgeber_innen des kürzlich erschienenen Sammelbandes „Extreme Sicherheit: Rechtsradikale in Polizei, Verfassungsschutz, Bundeswehr und Justiz“, warnen vor den Gefahren, die von rechtsextremen Richter_innen und Staatsanwält_innen für den Rechtsstaat in Deutschland ausgehen. Ihre Befürchtungen legten sie bei einer gemeinsamen Lesung und Diskussion am 12. November dar, an der auch die Rechtsanwältin Kristin Pietrzyk aus Jena und Jost Müller-Neuhof, rechtspolitischer Korrespondent beim Berliner „Tagesspiegel“ mitwirkten. „Im Gegensatz zu rechtsextremen Umtrieben in Polizei und Bundeswehr wurde die Justiz bisher nur wenig beleuchtet. Doch gerade die Unterlassung von Anklagen und der gleichzeitige Einsatz des Strafgesetzbuches als Waffe gegen Andersdenkende birgt ein immenses Risiko für unsere rechtsstaatliche Ordnung“, so Kleffner.

„Extreme Sicherheit“ versammelt die Texte zahlreicher Autor_innen, die sich mit Rechtsextremist_innen in Sicherheits- und Justizbehörden befassen. Müller-Neuhof las aus seinem Beitrag zur Informationspolitik des Bundesamtes für Verfassungsschutz (BfV). In dem Text geht es zum einen um die Erklärung der AfD zum „Prüffall“ und zum anderen um seine eigene Klage gegen die Nichtherausgabe von Informationen über die Hintergrundgespräche mit Vertreter_innen der AfD. Die Gerichte stellten letztlich fest, dass die Geheimhaltung der Informationen unrechtmäßig war, die Gespräche selbst aber nicht.

Meisner und Kleffner lasen Passagen aus dem Buch vor, die sich mit der Tätigkeit von bestimmten Richter_innen, Staatsanwält_innen und ihrer Dienstaufsicht beschäftigen. Die beschriebenen Fälle zeigten, dass manche Beamt_innen ihre Zuständigkeiten bei Weitem überschritten, linke Delikte unverhältnismäßig schwer verurteilten und rechte Straftaten vergleichsweise mild behandelten, wie es am Beispiel der Neonazi-Gruppe „Aryans“ zu sehen sei. Mitglieder der „Aryans“ griffen 2017 in Halle zwei Wanderer im Nachgang an eine Demonstration an. Trotz des brutalen Vorgehens wurden die Täter_innen von der Staatsanwaltschaft jedoch nicht am Landesgericht, sondern lediglich am Amtsgericht angeklagt, wodurch das maximale Strafmaß begrenzt wurde. Zu den sichergestellten nationalsozialistischen Devotionalien aus der Wohnung der Angeklagten bemerkte die zuständige Staatsanwältin schlicht, dass „über Geschmack nicht zu streiten ist“.

Interne Strukturen helfen Rechtsextremen

Pietrzyk, die unter anderem als Nebenklägerin im Prozess gegen die rechtsterroristische „Gruppe Freital“ aus Sachsen tätig war, ergänzte die Berichte aus dem Buch mit ihren praktischen Erfahrungen und Erkenntnissen. Dienstaufsichtsbeschwerden, die sie selbst auch gestellt habe, seien ihrer Meinung nach kaum effektiv, um gegen rechtsextreme Justizbeamt_innen vorzugehen. Die Beamt_innen würden zu häufig intern geschützt: „Sind Rechtsextremist_innen verbeamtet, so ist es sehr schwierig, gegen sie vorzugehen. Man müsste belastende Beweise bezüglich ihrer demokratiefeindlichen Gesinnung sammeln. Eine Möglichkeit hierfür bestünde darin, die Befugnisse des Verfassungsschutzes zu erweitern oder, was ich deutlich präferiere, die internen Strukturen und die Kultur im Justizwesen zu verändern. Rechtsextremist_innen gehören hier konsequent ausgegrenzt!“

Die Meinung, dass der Verfassungsschutz nicht effektiv genug gegen Rechtsextremismus vorgehe, vertrat auch Kleffner: „Der Verfassungsschutz lehnte jede Verantwortung für den NSU-Terror ab. Da zudem mit geheimen Hintergrundgesprächen Politik gemacht wurde, ist die Behörde in meinen Augen nicht neutral.“ Bezeichnend ist laut Meisner auch, dass der Verfassungsschutz nicht in der Lage sei, Auskünfte über Rechtsextremist_innen im öffentlichen Dienst zu geben. Es bedürfe also einer dringenden Sensibilisierung der Justiz und Sicherheitsbehörden, um interne rechte Netzwerke klar aufzuzeigen.

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