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Nationale Menschenrechtsinstitution der Philippinen: Die Auswirkungen des Klimawandels und was wir dagegen tun

© DIMR/T. Stelzer

· Meldung

Interview mit Roberto Cadiz

Die negativen Auswirkungen des Klimawandels, darunter die zunehmend intensiveren und immer häufiger auftretenden Extremwettereignisse wie Tropenstürme, Starkregen oder Dürren, können die Wahrnehmung der Menschenrechte beeinträchtigen. Welche Verantwortung tragen Unternehmen, wenn sie Schadstoffe ausstoßen, die im Zusammenhang mit dem globalen Temperaturanstieg stehen?

2015 reichten 18 individuell Betroffene und 14 zivilgesellschaftliche Organisationen gemeinschaftlich zum ersten Mal eine Beschwerde bei einer nationalen Menschenrechtskommission ein, die die Verantwortung von Unternehmen bezüglich nachteiliger Auswirkungen des Klimawandels auf die Menschenrechte zum Anliegen hatte. Die Beschwerdeführenden werfen insgesamt 47 fossile Produzenten vor (auch als „Carbon Majors“ bezeichnet), den Klimawandel durch ihre Unternehmenstätigkeit und Produkte seit Jahren wissentlich zu befeuern und keine (ausreichenden) Maßnahmen zur Reduzierung der Treibhausgase auszuführen, und das obwohl sie dazu in der Lage seien. Sie halten die Produzenten daher für die nachteiligen, durch den Klimawandel bedingten Auswirkungen auf die Menschenrechte mitverantwortlich. Dazu zählen etwa das Recht auf angemessenes Wohnen (Zwangsumsiedlungen aufgrund steigender Meeresspiegel), das Recht auf Nahrung (Abnahme der Fischbestände und reduzierte Qualität der Ackerflächen) oder das Recht auf Leben – allein während des Taifuns Haiyan kamen 2013 auf den Philippinen tausende Menschen ums Leben und mehrere Millionen verloren ihre Existenzgrundlage.

Die philippinische Kommission beschloss im Dezember 2015, die Beschwerde in Form einer nationalen Untersuchung („national inquiry“) zu bearbeiten. Dazu fünf Fragen an den Leiter der Untersuchung, Kommissar Roberto Cadiz.

Kommissar Cadiz, die interne Empfehlung war, die Beschwerde nicht zu akzeptieren, da es bisher keine vergleichbaren Fälle gibt. Warum entschieden Sie sich dennoch dafür?

Roberto Cadiz: Meine Leitfrage war „Warum nicht über die Probleme informieren, die wir in der Welt haben?“ Es ist ein äußerst relevanter Fall, den die Beschwerde erfasst, erschwert dadurch, dass es noch keine vergleichbaren Fälle gibt. Die Entscheidung der Kommission, den Fall dennoch anzunehmen, ist von der Überzeugung geleitet, den Beschuldigten die Chance der Stellungnahme einzuräumen. Die philippinische Kommission ist auch in diesem Fall ein objektiver Akteur – nur den Menschenrechten verpflichtet - und trägt zunächst alle zur Verfügung stehenden Informationen zusammen. Ich wäre sehr froh, zumindest einen der Beschwerdeempfangenden zu hören, auch über seine guten Praxisbeispiele: was tun sie, um Menschenrechte zu achten? Unternehmen sollten Teil der Lösung sein, aber bisher kam keines der Unternehmen einer Einladung der philippinischen Kommission nach, um an den seit 2016 laufende Untersuchungen und Anhörungen zum Fall formell teilzunehmen.

Neben der Herausforderung, dass dieser Fall einen juristischen Präzedenzfall darstellt, gibt es weitere Herausforderungen?

Cadiz: Eine erste Schwierigkeit war, dass unsere nationale Verfassung das Mandat der philippinischen Kommission auf die Behandlung von Beschwerden beschränkt, die ausschließlich die bürgerlichen und politischen Rechte betreffen. Eine zweite ist, dass wir keine Akteur_innen außerhalb der eigenen gerichtlichen Zuständigkeit belangen können. Jedoch sind die meisten der sogenannten Carbon Majors nicht in den Philippinen ansässig.

Die teilweise internationalen Konsultationen mit Akteur_innen aus verschiedenen Bereichen waren in der Lösungsfindung sehr hilfreich. Für das erste Problem, welches die Einschränkung unseres Mandats betrifft, können wir klar argumentieren, dass die Menschenrechte universell und unteilbar sind sowie miteinander in Zusammenhang stehen. Das hält unter anderem die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte fest. Die Herausforderung der gerichtlichen Zuständigkeit: Wir zwingen niemanden dazu sich zu äußern. Es handelt sich vielmehr um eine Einladung an die Beschuldigten der Beschwerde, sich dazu zu äußern, damit die Kommission sich ein umfangreiches Bild zum eingereichten Fall machen kann. Dass wir uns darüber hinaus auch globale Expertise suchen, ist mit unserem Mandat vereinbar. Der Prozess ist in Form eines inklusiven Dialoges gestaltet, nicht als Gerichtsverfahren. Er ist nicht technisch und verwehrt niemanden sich zu äußern. Letztendlich umfasst unser Mandat, dass wir alle Angelegenheiten untersuchen und beobachten dürfen, die die Rechte der philippinischen Bevölkerungen betreffen, besonders die der marginalisierten und verletzlichsten Gruppen. Für den Prozess wäre es vorteilhaft, wenn sich wenigstens eins der Unternehmen zu Wort meldet, auch um zum Beispiel positiv zu demonstrieren, wie es vorgeht, um Menschenrechte zu achten. Es ist doch auch eine Chance, denn nur wer am Dialog teilnimmt, kann ihn auch mitgestalten.

Klimawandel und Menschenrechte werden noch wenig in Zusammenhang gedacht – auch Ihnen war die Verbindung in dem Carbon Major-Fall zunächst nicht offensichtlich. Wie und wann kam der Umschwung?

Cadiz: Durch ausgiebige Recherche sowie mit Hilfe von Konsultationen. Die Kommission bekam wissenschaftliche Studien vorgelegt, die die Auswirkungen des Klimawandels auf viele Menschenrechte darlegen, etwa das Recht auf Leben, auf adäquates Wohnen, Bildung, Arbeit – um nur einige aufzuzählen. Die Auswirkungen des Klimawandels auf die Menschenrechte werden zunehmend heftiger, sodass ihre uneingeschränkte Wahrnehmung oftmals nicht mehr gewährleistet ist. Die Konsultationen mit verschiedenen Akteur_innen, die in Form von runden Tischen oder Treffen mit verschiedenen Sektoren stattfanden und anhalten, bestärkten diese Analysen und Beobachtungen weiter. Die Rechteinhaber_innen beschrieben aus eigener Erfahrung die direkten Auswirkungen des sich ändernden Klimas auf ihre Menschenrechte.

Was ist das Ziel Ihrer Untersuchung?

Cadiz: Natürlich besteht das Ziel in erster Linie darin, dass die Betroffenen angemessene Abhilfe erhalten. Somit könnte diese Fallentscheidung zu einer Klärung von Rechten – oder zumindest zur Definierung eines Minimalanspruchs - der Betroffenen führen. Dabei spielt der Zugang zur Abhilfe und Wiedergutmachung eine zentrale Rolle. Dieser Fall könnte dazu beitragen, die Verantwortlichkeit von Unternehmen sowie die Pflicht der Staaten hinsichtlich ihrer menschenrechtlichen Sorgfalt zu klären.

Unabhängig des Prozessausgangs wäre ein erfolgreiches Resultat, wenn wir einen klaren und transparenten Mechanismus für die vom Klimawandel Betroffenen etablieren könnten, um gerade genannte Sachverhalte zu bearbeiten. Eine denkbare Form wäre zum Beispiel die eines inter-NMRI-Panel. Globale Herausforderungen benötigen globale Zusammenarbeit. Nationale Menschenrechtsinstitutionen (NMRI) könnten sich zusammenfinden und kooperieren. Die Ernennung einer UN-Berichterstatterin oder eines UN-Berichterstatters zu Klimawandel wäre eine große Errungenschaft. Eine GANHRI-Richtlinie zu Menschenrechten und Klimawandel könnte dem Thema weiteren Aufschwung verleihen.

Welche wichtigen Erkenntnisse möchten Sie anderen Akteur_innen  weitergeben?

Cadiz: Die Interaktion mit Schwesterinstitutionen birgt großes Potenzial, vor allem, wenn es um grenzüberschreitende Phänomene wie dem Klimawandel geht oder um Unternehmensaktivitäten, die eine multinationale Natur aufweisen. Der Klimawandel ist eine globale Herausforderung und die Kooperation untereinander wichtig: Da bereits auch andere NMRI darüber nachdenken eine Untersuchung zu den Auswirkungen des Klimawandels auf die Menschenrechte ihrer Bevölkerung zu unternehmen, würde es doch Sinn ergeben, sich zusammenzuschließen. Es ist für uns alle neues Terrain und mehr Köpfe produzieren wahrscheinlich mehr Ideen als ein einzelner. Gemeinsam über Herausforderungen nachdenken, Lösungsansätze konzipieren und handeln, so können wir den globalen Probleme am besten begegnen.

(S. Phung)

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