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„Jugendliche tragen wesentlich zu einer Kultur der Menschenrechte bei“

© DIMR/A. Illing

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KOMPASS, das Handbuch zur Menschenrechtsbildung für die schulische und außerschulische Bildungsarbeit, wurde neu übersetzt und vollständig überarbeitet. Die neue Ausgabe ist stärker für den deutschsprachigen Raum adaptiert, bezieht neue Entwicklungen im Menschenrechtsschutz mit ein und berücksichtigt aktuelle Diskurse in der Menschenrechtsbildung. Beate Rudolf, Direktorin des Deutschen Instituts für Menschenrechte, erläutert im Interview, warum sich das Institut der Neuauflage von KOMPASS angenommen hat.

Frau Rudolf, warum braucht es 72 Jahre nach Inkrafttreten der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte ein Handbuch wie Kompass? Kennen wir nicht alle unsere Rechte?

Beate Rudolf: Die Menschenrechte sind bis heute keine Selbstverständlichkeit. Weltweit werden Menschenrechte massiv und systematisch verletzt und seit einiger Zeit werden in Europa und hierzulande die Stimmen lauter, die die Menschenrechte rundweg ablehnen. Um Menschenrechte zu bekräftigen und zu behaupten, müssen sie in einer Gesellschaft gelebt werden – im gesellschaftlichen Miteinander ebenso wie durch alle, die staatliche Gewalt ausüben – Abgeordnete, Regierungen, Verwaltung, Gerichte. Deshalb braucht es Menschenrechtsbildung und deshalb ist es wichtig, dass ein Standardwerk der Menschenrechtsbildung wie KOMPASS neu aufgelegt wird. Denn nur, wenn Menschen die Menschenrechte kennen und wenn sie sich ihrer Handlungsmöglichkeiten bewusst sind, werden sie sich dafür einsetzen, dass der Staat die Menschenrechte einhält. In diesem Zusammenhang freut es uns, dass KOMPASS vom Europarat, der Bundeszentrale für politische Bildung, dem Menschenrechtszentrum der Pädagogischen Hochschule Luzern und unserem Institut gemeinsam herausgegeben wird und Amnesty International als Kooperationspartner_in fungiert. So wird KOMPASS im gesamten deutschsprachigen Raum verbreitet, was zu einem großen Multiplikationseffekt führt.

KOMPASS richtet sich an Pädagog_innen in der schulischen und außerschulischen Jugendarbeit. Warum ist die Zielgruppe Jugendliche wichtig?

Rudolf: Durch Menschenrechtsbildung erleben Jugendliche, wie individuelle und auch gesellschaftliche Konflikte zwischen Menschen so gelöst werden können, dass allen Beteiligten weitest möglich ihre Freiheit ausüben können. Dies bedeutet zum Beispiel zu vermitteln, dass alle Menschen das Recht auf sexuelle Selbstbestimmung haben – Heterosexuelle genauso wie Lesben und Schwule, oder dass Religionsfreiheit heißt, dass jeder Mensch sein Leben nach seiner Religion ausrichten darf und dass andere das respektieren müssen, auch wenn sie die Religion nicht teilen. Es bedeutet aber auch zu verinnerlichen, dass niemand einem anderen seinen Glauben aufzwingen darf. Jugendliche, die befähigt werden, sich hier und jetzt für ihre eigenen und für die Menschenrechte anderer einzusetzen, tragen wesentlich zu einer Kultur der Menschenrechte in ihrer Gesellschaft bei. Denn sie bestimmen durch ihr Handeln heute und später als Erwachsene die Zukunft wesentlich mit.

Das Deutsche Institut für Menschenrechte hat KOMPASS neu übersetzt und umfassend überarbeitet. Warum setzt sich das Institut für diese Publikation ein?

Rudolf: Dafür gibt es mehrere Gründe. Das Menschenrecht auf Bildung bedeutet auch, Bildungsmaterialien möglichst vielen unterschiedlichen Zielgruppen zugänglich zu machen. Da sich KOMPASS sowohl für schulische als auch außerschulische Bildung eignet, kann das Handbuch in vielen Bereichen eingesetzt werden, im Politikunterricht oder im Rahmen einer Projektwoche genauso wie in Jugendfreizeiteinrichtungen und Ferienfreizeiten. KOMPASS hat zudem einen starken Praxisbezug und gibt viele Hinweise für Handlungsoptionen vor Ort. Jugendliche erleben auf diese Weise Menschenrechte als Rechte, die man im eigenen Umfeld einfordern und verwirklichen kann. Auch dem Empowerment räumt KOMPASS einen hohen Stellenwert ein. So macht sich das Handbuch im Sinne von „nicht über uns ohne uns“ dafür stark, bei der Bearbeitung eines Themas wie zum Beispiel Menschen mit Behinderungen oder Migration Selbstorganisationen und Expert_innen einzuladen

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