Grüner Knopf: „Das Textilsiegel sollte die gesamte Lieferkette umfassen, da bei vielen Produkten am Anfang der Lieferkette gravierende Probleme auftreten“
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Meldung
Interview mit Michael Windfuhr, Stellvertretender Direktor des Deutschen Instituts für Menschenrechte
Bundesentwicklungsminister Gerd Müller hat heute das staatliche Textilsiegel „Grüner Knopf“ vorgestellt. Der Grüne Knopf testet sowohl die Produkte als auch die Unternehmen. Für die Textilien gelten zwei Dutzend ökologische und soziale Kriterien, die allerdings nur bei zwei Produktionsschritten der Herstellung angewendet werden: beim Färben und Bleichen sowie beim Zuschneiden und Nähen. Zum Start machen 27 Unternehmen mit, die die Anforderungen des neuen Siegels erfüllen. Die Reaktionen von Verbraucher- und Umweltorganisationen auf das Siegel sind gemischt. Wie bewertet das Deutsche Institut für Menschenrechte den Grünen Knopf?
Herr Windfuhr, ist der Grüne Knopf ein erster Schritt in die richtige Richtung, oder hätten Sie sich direkt ein umfassenderes Prüfverfahren gewünscht, das die gesamte Lieferkette umfasst, also zum Beispiel auch den Baumwoll-Anbau?
Michael Windfuhr: Der Grüne Knopf möchte als staatliches Siegel eine gewisse Autorität in Anspruch nehmen und Orientierung in einem breiten Feld vorhandener Siegel geben. Dies ist prinzipiell nicht verkehrt. Mehr als eine Konzentration auf zwei Produktionsschritte - Zuschneiden und Nähen, sowie Bleichen und Färben - war offensichtlich noch nicht möglich, eine Ausweitung auf die davor liegende Produktion bis hin zum Baumwollfeld ist angedacht, aber bislang nicht realisiert. Zwar sind diese zwei Produktionsschritte für die Textil- und Bekleidungsindustrie von besonderer Bedeutung, gerade was Menschenrechte in den Arbeitsbeziehungen angeht. In der Tat wäre es aber wünschenswert, wenn das Siegel die gesamte Lieferkette umfassen würde, weil bei vielen Produkten gerade auch am Anfang der Lieferkette, beispielsweise bei der Rohstoffgewinnung, gravierende Probleme auftreten können, von enormem Wasserverbrauch bis hin zu Kinderarbeit und Sklavenarbeit.
Es gibt bereits Siegel im Textilbereich, die die gesamte Lieferkette erfassen, und es ist zu wünschen, dass sie durch die Einführung des neuen Siegels keine Nachteile erleiden. Eine schnelle Erfassung der gesamten Lieferkette wäre nun für den Grünen Knopf erstrebenswert, da dies auch für andere Branchen und Sektoren ein Signal wäre, dass es prinzipiell möglich ist, Lieferketten insgesamt zu prüfen und nicht nur Teile daraus.
Macht ein freiwilliges Label überhaupt Sinn, oder brauchen wir eine gesetzliche Regelung?
Windfuhr: Der Grüne Knopf ist auch deshalb vom Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung entwickelt worden, weil es bislang in der Großen Koalition keine Einigung auf ein Gesetz zur Einführung einer menschenrechtlichen Sorgfaltspflicht von Unternehmen für Liefer- und Wertschöpfungsketten gibt. Da der Streit über die mögliche Einführung bereits seit 2014, seit dem Beginn der Verhandlungen für einen Nationalen Aktionsplan Wirtschaft und Menschenrechte, besteht, ist die Erarbeitung des Siegels ein Ausdruck für Ungeduld. Das Voranschreiten mit dem neuen Textilsiegel schließt eine spätere Einführung eines Gesetzes nicht aus. Es gibt Unternehmen die Möglichkeit, in bestimmten Produktionsschritten voran zu gehen, und dies durch das neue Siegel zu belegen.
Lieferketten sind im Zusammenhang mit der Globalisierung der letzten drei Dekaden ungleich länger und komplexer geworden. Bis zu 80 Prozent des Welthandels finden inzwischen in internationalen Liefer- und Wertschöpfungsketten statt. Ihre Gestaltung ist deshalb eine der zentralen Aufgaben geworden, um mögliche negative Auswirkungen der schnellen und weitreichenden Globalisierung wieder politisch gestalten und verhindern zu können.
Der Grüne Knopf hat in der Bewertung zwei Arten von Kriterien verbunden, 20 Kriterien zur Bewertung von Unternehmen selbst und 26 produktbezogene Kriterien. Die unternehmensbezogenen Kriterien basieren bereits auf den Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte der Vereinten Nationen sowie auf sektorspezifischen Empfehlungen der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD): Unternehmen sollen (a) ihre Unternehmenspolitik mittels einer Grundsatzerklärung an Menschenrechten und Umweltschutz orientieren, (b) ihre menschenrechtlichen Risiken erheben, (c) diese – sollte es welche geben – bearbeiten, abstellen und Betroffene gegebenenfalls entschädigen, (d) darüber berichten und (e) ein Beschwerdeverfahren aufbauen, bei dem sich Betroffene schnell, einfach und wirksam melden können. Dies sind in etwa die Schritte, die auch ein Gesetz zur menschenrechtlichen Sorgfalt von Unternehmen verlangen würde.
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