Gerichtsverfahren kindgerecht ausgestalten - 10 Jahre Individualbeschwerdeverfahren der UN-Kinderrechtskonvention am 14. April
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Pressemitteilung
Deutschland hat einen deutlichen Nachholbedarf beim wirksamen Zugang zum Recht für Kinder und Jugendliche. Darauf weisen das Deutsche Kinderhilfswerk und das Deutsche Institut für Menschenrechte anlässlich des 10. Jahrestags des Inkrafttretens des Zusatzprotokolls zur UN-Kinderrechtskonvention, das ein Individualbeschwerdeverfahren regelt, hin.
„Jedes Jahr kommen tausende Kinder und Jugendliche in Deutschland mit dem Justizsystem in Berührung. Obwohl es dabei um existenzielle Fragen für ihr weiteres Leben geht, zeigen unsere gemeinsamen Studien, dass sie auf zahlreiche Barrieren beim Zugang zu ihren Rechten stoßen und Verfahren häufig nicht den Vorgaben der UN-Kinderrechtskonvention entsprechen. Laut Umfragen wünschen sich Kinder besser gehört, informiert und mit Respekt behandelt zu werden. Das muss die Politik ernst nehmen und eine flächendeckende Umsetzung angehen, um allen Kindern und Jugendlichen in Deutschland den vollen Zugang zum Recht zu garantieren“, betont Anne Lütkes, Vizepräsidentin des Deutschen Kinderhilfswerkes.
Mit der Ratifizierung des Zusatzprotokolls zur UN-Kinderrechtskonvention, das ein Individualbeschwerdeverfahren regelt, hat sich Deutschland verpflichtet, Kindern zu ermöglichen, Beschwerden wegen einer Verletzung ihrer Rechte beim UN-Ausschuss für die Rechte des Kindes einzulegen. Allerdings muss zuvor der innerstaatliche Rechtsweg grundsätzlich ausgeschöpft sein. Es trat am 14. April 2014 in Kraft.
„Deutschland hat mit seiner frühen Ratifikation des Zusatzprotokolls zu dessen schnellem Inkrafttreten vor zehn Jahren beigetragen und damit deutlich gemacht, den Zugang für Kinder zu Beschwerdeverfahren stärken zu wollen. Gleichzeitig aber hat Deutschland versäumt, die weiteren Vorgaben aus dem Protokoll umzusetzen und die im Individualbeschwerdeverfahren verankerte Chance, die Kinderrechte im deutschen Justizsystem grundsätzlich zu stärken, zu nutzen. Es ist an der Zeit den innerstaatlichen Rechtsweg kindgerecht auszugestalten – und das unter der Beteiligung von Kindern und Jugendlichen“, erklärt Claudia Kittel, Leiterin der Monitoring-Stelle UN-Kinderrechtskonvention des Deutschen Instituts für Menschenrechte.
Hintergrund
Bei einer Individualbeschwerde im Rahmen der UN-Kinderrechtskonvention holt der UN-Ausschuss für die Rechte des Kindes zunächst vom betroffenen Staat eine Stellungnahme ein. Kommt er nach Prüfung aller Informationen zu der Ansicht, dass eine Menschenrechtsverletzung vorliegt, so teilt er dies beiden Parteien mit und fordert den Staat zur Wiedergutmachung des Schadens auf. Obwohl diese Entscheidungen – anders als beispielsweise Entscheidungen des Europäischen Menschenrechtsgerichtshofs - rechtlich nicht bindend sind, entfalten sie dank ihrer Veröffentlichung und der Autorität des Ausschusses große Wirkung. So haben die Entscheidungen in Individualbeschwerdeverfahren in zahlreichen Staaten bereits Reformen zur wirksameren Umsetzung der Kinderrechte bewirkt. Das Zusatzprotokoll zur UN-Kinderrechtskonvention, dass das Individualbeschwerdeverfahren regelt, trat nach der Ratifikation durch zehn Staaten am 14. April 2014 in Kraft. Deutschland hatte das Protokoll bereits am 28. Februar 2012 in Genf unterschrieben und anschließend ratifiziert. Seit Inkrafttreten hat der UN-Ausschuss 148 Entscheidungen getroffen. Die damit verbundene noch höhere Arbeitsbelastung des Ausschusses, die dazu beigetragen könnte, die Wirksamkeit seiner gesamten Tätigkeit zu belasten, verdeutlicht ebenfalls die Bedeutung nationaler Rechtsbehelfe, um den Zugang zum Recht für Kinder und Jugendliche effektiv zu sichern.
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